Paolo Atzori on Fri, 4 Jul 1997 16:36:01 +0200 (MET DST) |
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<nettime> T_Negri |
here follows an essay from the Artist Angela Melitopoulos ----------->>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Ein Spinozist isoliert sich. von Angela Melitopoulos Paris, 30. Juni 1997 Antonio Negri, Philosoph und Wortfuehrer der italienischen Bewegung "Autonomia Operaia", kehrte am Dienstag nach 14 Jahren des politischen Exil's aus Paris nach Italien zurueck. Mit seiner freiwilligen Rueckkehr, stellt er der italienischen Regierung die Frage, ob das politische Erbe der ersten Republik durch eine Amnestie beendet werden kann. Dabei riskiert er bis zu 4 Jahre Haft im roemischen Gefaengnis "Rebibbia". Die "bleiernen Jahre" Italien's sind von dramatischen Konflikten zwischen der Polizei und den vielen verschiedenen Arbeiter -und Studentenbewegungen der 70er Jahre gezeichnet, die Negri als "einen Art Buergerkrieg" bezeichnet, "den niemand wollte". Dabei wird gerne vergesssen, dass die damalige italienische Regierung mit einem Staatsterrorismus operierte, dessen Verbindung zur rechtsextremen Szene vor einigen Jahren mit den Skandal um die die Gruppe "Gladio" aufgedeckt wurde. ( "Der italienische Staat versuchte von 1969 an alle ausserparlamentarische Bewegungen als terroristisch zu kennzeichnen und im Gegensatz zu Frankreich oder Deutschland, keinen Dialog zugelassen. Gegen diese repressive Staatspolitik mussten wir uns zu verteidigen", erklaert Toni Negri , als er uns kurz vor seiner Abreise seine Entscheidung vermittelt. Die Arbeiterbewegung "Autonomia Operia" der 70er Jahre hatte das Ziel, das politische Bewusstsein der traditionellen Linken, in dessen Zentrum der Fabrikarbeiter stand, mit der Idee des "sozialen Arbeiters" zu erneuern: "Die Mauern der Fabriken waren gefallen und es war notwendig eine neue Kontinuitaet zu schaffen, eine neue Identitaet, ein sich entwickelndes Subjekt, das heute im Zentrum der sozialen und wirtschaftlichen Verhaeltnisse steht." Vor also 30 Jahren begann man in Italien bereits ueber die neuen Klassen des "sozialen" und auch "intellektuellen Arbeiters" zu sprechen, dessen Arbeitplatz von der "Vielschichtigkeit seines Wissens" und von seiner "nomadischen Flexibilitaet" abhaengig war - Begriffe, die in der Diskussion der klassischen linken Parteien kein Gehoer finden konnten, dafuer aber sofort von einer breiten Masse von Studenten, Arbeitern und Randgruppen (ohne definierter Identitaet) aufgenommen wurden. Antonio Negri, der, wie die Italiener sagen, die Universitaetsstadt Padua im Norden Italiens mit seinen Ideen entflammte, wurde 1979 durch die Anti-Terrorismus Gesetzte verhaftet und verbrachte bereits 4 1/2 Jahre in "Praeventivhaft". Er wurde verdaechtigt, der Moerder Aldo Moro's, der politische Kopf der Roten Brigarden wie auch das "teuflische Gehirn" zu sein, welsches die Verbindung zwischen den unzaehlbaren Gruppierungen des bewaffneten Widerstandes im Italien der 70er Jahre schuf. Alle diese Vorwuerfe mussten vom damaligen Innenminister Italien's, Francesco Cossiga, zurueckgenommen werden. Die Einfuehrung der Anti-Terror-Gesetze liessen dem Staat ausreichend Freiraum neue Anklagen zu formulieren, die schliesslich zu den circa 15 Prozessen fuehrten, durch der Philosophieprofessor zu insgesamt 12 Jahren Gefaengnis verurteilt wurde. Eine wahrlich abenteuerliche Anstrengung der italienischen Magistratur einen politischen Staatsfeind nennbar zu machen, ohne dass man je verstand, was er abgesehen von seinen staatsfeindlichen Meinungsaeusserungen wirklich verbrochen hatte. 1983 wurde er mit drei Mandaten als Abgeordneter der Partei "Partito Radicale" in das italienische Parlament gewaehlt und durch die neu gewonnene Immunitaet aus dem Gefaengnis entlassen. Kurz bevor die Aufhebung seiner Immunitaet im Parlament beschlossen wurde, fluechtete er auf den Wasserweg nach Frankreich. Zwischen 1978 und 1983 bemuehte sich die italienischen Regierung mit Hilfe der Anti-Terrorismus Gesetze gegen 60 000 Personen juristische Prozesse zu fuehren. 25 000 Personen wurden zu Gefaengnisstrafen verurteilt und 500 Personen fluechteten von 1980 an in das Exil. Die linke und rechte franzoesische Regierung verweigerte sich von 1979 an, die "italienischen Rebellen" auszuliefern. Heute leben immer noch circa 200 Italiener im politischen Exil in Paris und weitere 200 verbuessen Haftstrafen. Die Besonderheit der italienischen Anti-Terror-Gesetze fand ihre juristische Inspiration im Faschismus Mussolini's, waehrend dessen die "Zugehoerigkeit zu einer bewaffneteten Gruppe" strafbar war, und das Nennen der Namen der "Genossen" zur eigenen Freiheit verhalf. Sie diente der Bekaempfung der sozialistischen und kommunistischen Widerstandsbewegungen. Heute wird diese sogenannte Kronzeugenregelung der 70er Jahre noch im Kampf gegen die Mafia eingesetzt und seit neuestem soll sie gegen die mittelstaendischen Aktivisten der Lega Nord angewandt werden. Mit seiner Auslieferung moechte Toni Negri die Diskussion um eine moeglichen Amnestie erneut entfachen. Sie wurde in Italien in den letzten 4 Legislaturperioden wiederholt im Parlament diskutiert, ohne jedoch einen Abschluss zu finden. Francesco Cossiga, spricht sich derzeit im Senat der Republik fuer eine Amnestie der italienischen Terroristen aus. Toni Negri wirft einen Stein ins getruebte Wasser eines europaeischen Rechtstaates: "Die aussergewoehnliche Gesetzgebung der 70er Jahre hat in Italien die juristische Macht der Richter so anwachsen lassen, dass sie heute zu einem Problem fuer die gesamte politische Klasse Italien's wird. Mit dem Eintritt Italiens in europaeische Waehrungsunion muss sich auch seine Gesetzgebung homogenisieren und das Paradox des politischen Exilanten, der, wie wir in Frankreich akzeptiert wurde, geloest werden." Waehrend seines ersten Gefaengnisaufenthaltes schrieb er das Buch "Spinoza sovversiva". Waehrend seiner zweiten Haftzeit im Gefaengnis Rebibbia wird er vielleicht sein aktuelles Buch "L'Empirio" (das Imperium) beenden. Es handelt u.a. von der Politik des Imperialismus, der, nachdem er die Welt erobert hat, keine imperialistische Politik mehr duldet. Toni Negri hat die Politik von "Niveau Null" an lernen mussen. Er praesentiert sich heute als Besiegter einer komplizierten italienischen Geschichte, um seiner Generation Wege aus einem politischen Engpass zu weisen. Diese Begriffe des Werdens spielten schon in den 70er Jahren der Autoniomia Operaia eine wichtige Rolle, als man den erbosten Parteifunktionaeren der kommunistischen Partei erkaerte, dass die Arbeitskraft des Fabrikarbeiters obsolet geworden sei, und dass die Arbeit in der postmodernen Gesellschaft von Intellekt und Sozialitaet bedingt seien. Toni Negri beantwortet ungern die Frage eines "ethischen Verhaltens" ohne von den Arbeitsbedingungen der "immateriellen Arbeit" zu sprechen. Die Veraenderungen von Produktionsbedingungen, die den Menschen in seinen sozialen Beziehungen so einsam werden hat lassen, trauert er nicht nach. "Heute hat jeder Buerger mehr Macht, als zur Zeit der Moderne. Die Erweiterung der Arbeit durch Netzwerke und Medien laesst erkennen, dass die Potentialitaet der Arbeit im Intellektuellen liegen. Genau das gibt dem Buerger Macht. Deshalb liegt das Problem nicht mehr zwischen dem Staat und der Privatperson, sondern in dem Schaffen neuer oeffentlicher Raeume. Ein Forum, das nicht nur durch seine demokratischen Kraefte Dort entstehen die Elemente, durch die sich das Individuum mit der Gemeinschaft verbindet. Man muss also gegen Privatheit und Staat und fuer Individualitaet und Gemeinschaft halten. Nur wenn wir zusammen an den produktiven Prozessen beteiligt sind, koennen wir unsere gemeinschaftliche Kraft entfalten. " Sein "Optimismus der Vernunft" sagt ihm, dass das Gemeinschaftliche im Menschen nicht abzutoeten sei. Er beendet sein Exil im Wissen um das "innere Exil" derjenigen, die in Italien geblieben sind und die " aus der Politik ausgeschlossen wurden". Als Leiter eines Seminares am "Collège Internationale de la Philosophie" an der Sorbonne in Paris, hatte er genug Gelegenheit, seine italienischen Freunde einzuladen und die franzoesische Universitaet mit regen politisch/philosophischen Diskussionen aufzuheizen. Diese Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Italien hinterlaesst zahlreiche Spuren und Veroeffentlichungen. Seine Rueckkehr ins Gefaengnis ist ein kommunikativer Akt "Man kommuniziert eben nicht alleine mit den elektronischen Medien, sondern auch durch seine Position in sozial-politischen Entwicklungen. Ein Koerper, der sich innerhalb eines gesellschaftlichen Kontextes positioniert, hat politische Praesenz. Ohne eine Gemeinschaft, die immer auch Intelligenz und Leidenschaft und die Vernunft des Affektes meint, wird jede Kommunikation leer und inexistent, auch im Internet". Ein politischer Akt à la Spinoza kann ja gar nicht traurig sein. Bei seiner Ankunft in Italien meinte Negri: "Ich fuehle mich wie im Paradis, aber ich fuehle auch ein wenig Nostalgie fuer Frankreich". Dannach wurde er hoeflich von den Polizisten abgefuehrt. --- # distributed via nettime-l : no commercial use without permission # <nettime> is a closed moderated mailinglist for net criticism, # collaborative text filtering and cultural politics of the nets # more info: majordomo@icf.de and "info nettime" in the msg body # URL: http://www.desk.nl/~nettime/ contact: nettime-owner@icf.de