Heiko Idensen on Fri, 11 Feb 2000 10:36:55 +0100 (CET) |
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[rohrpost] Literatur im Netz: das Rutenberg-Projekt: DieQuotenmaschine |
language is a virus! das buch ist tot - es lebe die quotenmaschine >Hatte heute nacht einen Traum (sic): wurde von 2 Journalisten zu meiner >Arbeit interviewt, und erst am Ende bekam ich raus, dass sie für knax >arbeiten, die Kinderzeitung der Sparkasse, und da wurde ich richtig >enthusiastisch und bestand darauf, dass sie deutlich machen, dass mein >"Buch" Die Quotenmaschine das erste Hypertext-Projekt in deutscher Sprache >war: dass Die Quotenmaschine durchaus als weitreichendes Experiment >angesehen werden könnte, Literatur ins Netz zu verfrachten, sowie >vernetztes Denken zum zentralen Thema der Handlung werden zu lassen - > haha: der psycho-analytiker der mailing-list (mit besonderem schwerpunkt: autorenfiktionen) kann sich des eindrucks nicht erwehren, dass es sich bei diesem traum um eine (for den autorentyp der ausgehenden gutenberggalaxis typische?) PROJEKTION handelt: der erste sein zu wollen, von der presse als interessanter fall angesehen zu werden, fuer die kommende avantgarde zu schreiben, damit geld zu verdienen ... das maerchen vom sterntaler also? oder vom avantgarde-schriftsteller, der mit seinem laptopm am strand posiert? >Es ist also nicht stimmig, was Florian Cramer in seinem Posting "Literatur >im Netz" über mein Buch schreibt, wenn er sagt: "Texte erscheinen im Netz, >um einen Verleger zu finden", z.B. Die Quotenmaschine von Norman Ohler. Das >Gegenteil war mein Ansinnen. Es geht in der Quotenmaschine ständig darum, >Hierarchien abzubauen: jene der linearen Erzählweise, jene der Distribution >von Literatur etc. Ich habe meinen Hypertext nicht im Netz veröffentlicht, >um einen Verleger zu finden, sondern um mein Experiment weiterzuführen - >den Tod des Autors zu beschleunigen, Leser zum Mitschreiben aufzufordern >etc. > auch das haelt der sich jetzt einschaltende *hypertext-kritiker* - gelinde gesagt - fuer eine wunschprojektion des schreibenden norman ohler alias maxx rutenberg alias paul (?): ein produktiver zusammenhang zwischen der webseite (http://www.icf.de/qm/online/inhalt.htm), die lediglich ein in einzelne text-teile aufgespaltener mit einigen internen querverweisen versehener und teilweise auf eine karte von new york gemappter, abgeschlossener hypertext ist, und dem gedruckten buch ist nicht zu erkennen. ich weiss nicht, genau, seit wann die quotenmaschine wieder online ist (der online-literaturkritiker: muss er wirklich log-dateien, server-konfigurationen, netzprotokolle etc. untersuchen? der arme!), kann mich nur erinnern, dass unmittelbar nach erscheinen des romans 1996 (fuer mindestens ein halbes jahr) kein zugriff auf die online-version der quotenmaschine moeglich war (ich weiss es deshalb noch so genau, weil ich in einem seminar zur netzliteratur die aufgabe gestellt hatte, das buch mit der online-version zu vergleichen und die studentInnen dann immer mit meiner lokalen kopie arbeiten mussten!). der (materialistisch-strukturalistische) netzkritiker munkelt und vermutet: hier handelt es sich wiederum um ein angstgebahren der verlage, ihrer agenten, angestellten und akteure, die besonders im europaeischen festland weit verbreitet ist, eine online-publikation koenne den verkauf der entsprechenden buch.hardware behindern. (selbiger seltsamer effekt findet sich z.b. derzeit mit rainald Goetz *abfall fuer alle*, dessen doch auch so hoch gerpriesenen online-version (http://www.rainaldgoetz.de) oder auch unter http://www.jlfrontpage.de/a-z/AbfallFuerAlle.html ) nur ein *Not Found* oder sogar einen *server error* vermeldet. net.art. gehackt von enttaeuschten fans? auch hier vermute ich (ist es wirklich nur eine boese unterstellung meiner vorurteile den klassischen print-autoren gegenueber, die das netz eben fuer eine klassische promotion ihrer print-texte benutzen, aber wirklich mit netzliteratur nicht das gerichgste zu tun haben, wie ich es in einem telepolis artikel weiter ausspinne - aber auch einige neuere netz-schreib.konzepte nicht unerwaehnt lasse (http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/sa/3462/1.html) dieselben oekonomisch- maschtpolitischen gruende. (was den klassischen literarischen qualitaeten der angesprochen texte keinen abbruch tut: als text-fiktion finde ich (sagen wir als unschuldiger *leser*) die quotenmaschine phantastisch & abfall fuer alle auch eine adaequate form das tagebuchs eines armen leidenden subjektes, dessen entstehung im netz zu verfolgen auch einen gewissen reiz haben kann - als netzprojekt ist jedoch wam kats kriegstagebuch - und das daraus resultierende schreibprojekt *europaeisches tagebuch* weitaus interessanter: http://www.zerberus.de/texte/wam_kat/) . auch nur ansatzweise sehe ich einen solchen *netzprojekt*-charakter nicht bei der quotenmaschine: die angebotene mitwirkung der leserInnen per email sehe ich nirgends realisiert - im buch findet sich nicht einmal ein hinweis auf die netzadresse - auch erfaehrt der doch ev. so angeregte leser / die leserin leider keine email-adresse, bei der er seine leseeindruecke loswerden koennte ... der autor ist also wieder einmal nicht tot zu kriegen - nicht einmal die autorenfiktion, von der mitwirkung der leserInnen keine spur ... ich schlage das buch an der stelle auf, an der ein altes brotmesser als lesezeichen eingeklemmt ist: "Buchstaben rasten von rechts nach links, von unten nach oben, verschwanden, tauchten aus dem nichts auf, verdoppelten, veränderten ihre Groesse, Farben explodierten, wuschen ueber den Schrim, seltsam zerhackte Grafikreste zuckten wie angeschossenen Tiere: Paul katapultierte eine weitere Ladung von Giftsequenzen in seine digitale Umgebung: baute darauf, einen genuegend hohen Anteil von LEBENSNETZ-Strukturen verletzt, somit das System paralysiert zu haben ... hatte ein ersetzbares Subsystem zerstoert, einen einzelonen Moment gefrohrener Interkation ... alles ist Bewegung: Hilflos fixiert er den losgelassenen Punkt, der durch Gespraeche anderer hindurchbricht, durch Transaktionen von Grafiken, Texten, Programmen: Alles wird zerstoert: Alles geht so schnell: Pauls Finger haemmern auf die Tastatur, folgend dem Punkt, von dem er nichts mehr weiss ...der er selbst geworden ist: ein Virus ..., der nicht stirbt, der uns nicht befaellt, der wir: ist". (Norman Ohler: Die Quotenmaschine, Hamburg 1996, 207; 209) hei&co ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost