Heiko Idensen on Tue, 29 Feb 2000 01:56:16 +0100 (CET)


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[rohrpost] 2001: Odysseen des Wissens: Symposion & networking


Einladung zum Kolloquium
am 3.3. 2000 in Weimar
(und zur Mitarbeit ueber das Netz!)

2001: Odysseen des Wissens
Zur Diskurs-Poetik in digitalen Wissensordnungen
http://www.hyperdis.de

Kolloquium zu Erfahrungen mit Netzwerkumgebungen, Aufschreibesystemen sowie Mapping- und Archivwerkzeugen fuer digitale Diskurse in kulturwissenschaflichen Forschungsumgebungen. Umgesetzt werden sollen diese in eine kollaborative online-Enzyklopaedie, an der WissenschafterInnen und KuenstlerInnen aus den Bereichen Medientheorie, Netzliteratur, Interfacegestaltung, Netzkritik, ... ueber eine gemeinsame Schreib-Oberflaeche im www zusammenarbeiten:
http://www.nic-las.ch/enzyklopaedie/

Oeffentliche Vortraege:
Freitag, 3.3.2000
im Glaspavillion im Limonagebaeude, Steubenstrasse 8, Weimar

9.00-9.30
Heiko Idensen, Nicole Heidtke
Begruessung & kurze Einfuehrung

9.30-11.30
Hans-Dieter Huber
Cut-Up Epistemology: Schnittstellen der Intermedialitaet
Michael Giesecke: Transformationsprozesse von der Gutenberg- zur Postgutenberg-AEra
Walter Bauer-Wabnegg: home

(Pause)

12.00-14.00
Hartmut Winkler: UEber Komplexitaet und einige mediengeschichtliche Versuche, sie wieder in den Griff zu bekommen
Florian Cramer: Freie Software: Wie Netzwissenschaften und -kuenste sie nutzen und von ihr lernen koennen
Martin Rost: Selbstregulation von Mailinglistbeitraegen
im Anschluss: Ralf Chille: pžng|pøng (student. Praesentation aus der Mediengestaltung)

14.00 -15.00: Imbisskussion

15.00 -17.00: Arbeitssitzung: online Enzyklopaedie
Christiane Heibach: Thesen zur Veraenderung wissenschaftlichen Arbeitens in kooperativen Schreibumgebungen
Vorstellung weiterer Beispiele
Anknuepfungspunkte zwischen theoretischen Konzepten und Umsetzungen in das kooperative Schreibprojekt

Veranstalter
Bauhaus Universitaet Weimar, Fakultaet Medien
Professur Multimediales Erzaehlen (Prof. Dr. Walter Bauer-Wabnegg)
Nicole Heidtke (kuenstlerische Mitarbeiterin)

Kooperationspartner
Heiko Idensen, Frank Kilian (Netz/Werk/Kultur/Techniken; Universitaet Hildesheim)
René Bauer, Joachim Meier (www.nic-las.ch - eine autopoetische Wissenslandschaft)

Projektseite mit Links zu
kollaborativen Schreiboberflaechen, Enzyklopaedien, Lexika, und Archiven im Netz, sowie zu Text- und Projektseiten der Beteiligten finden sich unter:
http://www.hyperdis.de

Wegbeschreibung zum Tagungsort:
Glaspavillion in der Limona
Steubenstrasse 8, Weimar
ab Hbf Weimar:
Mit der Buslinie 1 !!! (Richtung Ehringsdorf), 5 (Richtung Klinikum), 6

(Richtung Obergrundstedt) oder 8 (Richtung Merketal) zum Wielandplatz. Die
Steubenstrasse links ein paar Meter hinuntergehen. Rechter Hand liegt dann ein
roter Backsteinbau mit einem Glaspavillion ganz oben. Da tagen wir.

Wegbeschreibungen in die Texte:
http://www.nic-las.ch/enzyklopaedie/

Am Anfang war das Wort.
.... es wurde gesprochen, getanzt, gesungen, geliebt, verdoppelt, erzaehlt, geknotet, gebetet, wiederholt, rezitiert, vergessen, eingeritzt, eingebrannt, gemalt, gemeisselt, geschrieben, in Tabellen gelistet, in magischen Formeln versteckt, gedruckt, gebunden, verlegt, als Fussnote an den Rand gedraengt, indiziert, gereimt, gezaehlt, formalisiert, codiert, compiliert, gespeichert, gescannt, als Muster wiedererkannt, uebertragen, gefaxt, verschluesselt, komprimiert, optimiert, transformiert, konvertiert, genormt, geloescht, gelinkt, ueberschrieben, als Absprungsort markiert, zum Objekt erklaert, als Programm aktiviert, das Worte schafft...
Das Universum, das andere die Bibliothek nennen, setzt sich aus einer undefinierten, womoeglich unendlichen Zahl ineinander verschachtelter Bildschirme zusammen. Weite, in die Tiefe fuehrende Wege, die nur ueber das Aktivieren bestimmter Schalter zu erreichen sind, werden eingefasst durch Markierungen am Rande dieser Blaetter aus vergessenen Schaetzen geschriebener, gezeichneter, imaginierter Buch-Utopien.
Die Anordnung der auf dem Bildschirm erscheinenden Buecher ist niemals dieselbe, ebensowenig die Art und Weise, in der sich der Benutzer durch die verschiedenen Gebiete der Bibliothek hindurchbewegt.
Das Buch ist bisher das radikalste Interface fuer den Entwurf virtueller Welten. Alle anderen Maschinen an die sich der Mensch derzeitig anschliessen kann, spiegeln hauptsaechlich ihre eigene Funktionalitaet zurueck oder lassen den gelangweilten Geist in raffinierte Rueckkopplungsschleifen eintreten: Brainmachines. Sie erscheinen als blasse Abbilder eines phantasmagorischen Lesens.

Bibliothek der Gnade
"Die Bibliothek der Gnade wurde im Jahre 1997 gegruendet. (...) in saemtlichen Zeitungen erschien eines Novembertages 1997 die gleiche Annonce. Es sei, hiess es dort, eine Spezialbibliothek geschaffen worden. Ihr Ziel bestuende in der Sammlung, Archivierung und dem oeffentlichen Zurverfuegungstellen all derjenigen Werke, die keinen Verlag gefunden hatten. Arbeiten jeder Art und jeglichen Umfangs seien willkommen. Die Bibliothek mache keine Unterschiede. Tagebuecher, verschmaehte Enzyklopaedien, Waschzettel, Abhandlungen, Traeume, Spruchsammlungen, Witze, Pamphlete, Romane - was auch immer in Schriftform vorliege und gedemuetigt sei, es faende nun seinen Ort und seine Signatur. (...) Jedes eingereichte Manuskript werde mit Freuden angenommen und zugleich einer konservatorischen Behandlung unterzogen, um es fuer spaetere Jahrhunderte und deren kluegeres Urteil haltbar zu machen. Jedermann habe, Tag und Nacht, Zutritt zur Bibliothek. Auf Verlangen erhielte man eine mit neuartigen Reproduktionstechniken blitzschnell hergestellte Kopie jeder beliebigen Arbeit kostenlos ausgehaendigt. Modernste Computertechnologie mit ausgekluegelten Retrievalsystemen ermoeglichen den uneingeschraenkten Zugriff auf die Bestaende, in saemtlichen Sprachen der Welt. (...) Es ist kein Geheimnis, dass sich gerade in den Anfaengen der Bibliothek die Mehrzahl der Benutzer aus Autoren rekrutierte. (...) Mit dem unaufhaltsamen Anwachsen der Gnadenbibliothek (...) spitze sich der Konflikt zwischen der althergebrachten Lese- und Schreibkultur auf der einen Seite und der anarchistischen Flut der Freien auf der anderen Seite zu. Die Beliebtheit der Gnadenbibliotheken verkleinerte die Absatzchancen des selektierenden Verlagswesens drastisch. (...) Energisch wies man auf die eigene Bedeutsamkeit hin. Die Flut einzudaemmen, aus dem Strom aus Hoechstem und Tiefstem, aus Geschmiere, Mittelmaessigen, Dilettantischem, Widerwaertigem (...) die wenigen Fische herauszuangeln, die der Lesemuehe wert seien, muesse als undankbares und edles Geschaeft hoch geachtet werden. (...)"
(Thomas Lehr: Zweiwaser oder die Bibliothek der Gnade, Berlin 1992, S. 347 ff)

Cut-up
Der Leser als Reisender im elektronischen Raum entnimmt den vorgefundenen Informationspartikeln keinen Sinn mehr, sondern schafft im Akt des Navigierens selbst Sinnbezuege ...
Ich wechsele in eine andere Datenbank, die wirklich ein vernetztes Schreiben unterstuetzt:
http://www.everything2.com/
(everything: ein multidirektionales Linking-System mit bidirektionalen links und tracking-mechanismen)

Ich lande direkt am Anfang von Michel Foucaults "Ordnung der Dinge":
"Dieses Buch hat seine Entstehung einem Text von Borges zu verdanken. Dem Lachen, das bei seiner Lektuere alle Vertrautheiten unseres Denkens aufruettelt, des Denkens unserer Zeit und unseres Raumes, das alle geordneten Oberflaechen und alle Plaene erschuettert und unsere tausendjaehrige Handhabung des Gleichen und des Anderen schwanken laesst und in Unruhe versetzt. Dieser Text zitiert "eine gewisse chinesiche Enzyklopaedie", in der es heisst, dass "die Tiere sich wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehoeren, b) einbalsamierte Tiere, c) gezaehmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehoerige, i) die sich wie Tolle gebaeren, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen. (Jorge Luis Borges, Die analytische Sprache John Wilkins', in: ders., Das Eine und die Vielen. Essays zur Literatur, Muenchen 1966, S.212) Bei dem Erstaunen ueber diese Taxinomie erreicht man mit einem Sprung, was in dieser Aufzaehlung uns als der exotische Zauber eines anderen Denkens bezeichnet wird - die Grenze unseres Denkens: die schiere Unmoeglichkeit, das zu denken. (Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge. Eine Archaeologie der Humanwissenschaften, Frankfurt/Main, 1971, 17)

Wunschmaschinen
"Die Wunschmaschinen stecken nicht in unserem Kopf, sind keine Produkte der Einbildung, sondern existieren IN DEN TECHNISCHEN UND GESELLSCHAFTLICHEN MASCHINEN SELBST."
(Gilles Deleuze; Felix Guattari, Anti-OEdipus, Frankfurt am Main 1974, 512)

"Weder sind die Wunschmaschinen imaginaere Projektionen, Phantasien, noch reale Projektionen, Werkzeuge. Das gesamte Projektionssystem aber ist von Maschinen ableitbar, nicht umgekehrt. Sollte demnach die Wunschmaschine durch eine Art Introjektion, einen bestimmten perversen Gebrauch der Maschine definiert werden? Nehmen ein Beispiel aus dem geheimnisvollen Bereich des Telefonnetzes: die Nummer eines nicht besetzten, aber einem automatischen Anrufbeantworter angeschlossenen Telefons waehlend ("diese Nummer ist nicht besetzt"),kann man ein Gewirr summender, sich ueberlagernder Stimmen vernehmen, Stimmen, die sich gegenseitig rufen, sich antworten, die sich ueberkreuzen und verlieren, die ober- oder unterhalb des Anrufbeantworters laufen oder in dessen Inneren, sehr kurze Mitteilungen, in schnellen und monotonen Codes abgefasste AEusserungen. Das normale Telefon,bestimmt, Kommunikationsmaschine zu sein, funktioniert doch solange noch gleich einem Werkezeug, als es dazu dient, Stimmen, die als solche nicht Teil der Maschine sind, nur zu projezieren oder weiterzutragen. Dort aber hat die Kommunikation eine hoehere Stufe erreicht, insofern die Stimmen mit der Maschine ein Stueck (eine Einheit) bilden, Teile der Maschine geworden sind und vom automatischen Anrufbeantworter auf Zufallsbasis ausgesendet und verteilt werden. Unter dieser Perspektive findet nicht allein ein perverser Gebrauch oder Anpassung einer technisch-gesellschaftlichen Maschine statt, sondern die UEberlagerung durch eine wirkliche objektive Wunschmaschine ..."
(Gilles Deleuze; Felix Guattari; Anti-OEdipus, Frankfurt/Main 1974, , 498)

Zensor, der Leser als
"Als die Abonnenten dem Band mit dem Buchstaben B erhielten, fanden sie darin einen zweiseitigen Artikel ueber Berija, in dem dieser als grosser Held der Sowjetunion gefeiert wurde. Nach seinem Sturz und seiner 'Entlarvung' als Verraeter und Spion wurden alle Abonnenten vom Verlag schriftlich aufgefordert, den Artikel ueber Berija auszuschneiden und zurueckzuschicken. Im Gegenzug erhielten sie unverzueglich einen zweiseitigen, mit Fotos bebilderten Eintrag ueber den Beringsee. Das Mysterium hierbei ist natuerlich die Frage: Fuer wen wurde an dieser (scheinbaren) Vollstaendigkeit festgehalten, wenn alle Abonnenten von der Manipulation wussten, weil sie sie ja selbst durchfuehren mussten? Die einzige Antwort lautet: fuer das nicht-existierende Subjekt, dem unterstellt wird, dass es glaubt." (Zizek, Slavoj (1999): Liebe deinen Naechsten? Nein, danke! Die Sackgasse deds Sozialen in der Postmoderne, Berlin, 206,207)

Benjamins Zettelkasten
"Die Schrift, die im gedruckten Buch ein Asyl gefunden hatte, wo sie ihr autonomes Dasein fuehrte, wird unerbittlich von Reklamen auf die Strasse hinausgezerrt [...]. Wenn vor Jahrhunderten sie allmaehlich sich niederzulegen begann, von der aufrechten Inschrift zur schraeg auf den Pulten ruhenden Handschrift ward, um endlich sich im Buchdruck zu betten, beginnt sie nun ebenso langsam sich wieder vom Boden zu heben. Bereits die Zeitung wird mehr in der Senkrechten als in der Horizontale gelesen [...] Und ehe der Zeitgenosse dazu kommt, ein Buch aufzuschlagen, ist ueber seine Augen ein so dichtges Gestoeber von wandelbaren, farbigen, streitenden Lettern niedergegangen, dass die Chancen seines Eindringens in die archaische Stille des Buches gering geworden sind. Heuschreckenschwaerme der Schrift [...] Andere Erfordernisse des Geschaeftslebens fuehren weiter. Die Kartothek bringt die Eroberung der dreidimensionalen Schrift, also einen ueberraschenden Kontrapunkt zur Dreidimensionalitaet der Schrift in ihrem Ursprung als Rune oder Knotenschrift. (Und heute schon ist das Buch, wie die aktuelle wissenschaftliche Produktionsweise lehrt, eine veraltete Vermittlung zwischen zwei verschiedenen Kartotheksystemen. Denn alles Wesentliche findet sich im Zettelkasten des Forschers, der's verfasste, und der Gelehrte, der darin studiert, assimiliert es einer eigenen Kartothek."
(Walter Benjamin (1972): Einbahnstrasse. In: Gesammelte Schriften IV-1. Frankfurt am Main. S. 84-148, hier: 103)

Werkzeug
Findet die Stellen..mit denen ihr etwas anfangen koennt. Wir lesen und schreiben nicht mehr in der herkoemmlichen Weise. Es gibt keinen Tod des Buches, sondern eine neue Art zu lesen. In einem Buch gibt`s nichts zu verstehen, aber viel, dessen man sich bedienen kann. Nichts zu interpretieren und zu bedeuten, aber viel, womit man experimentieren kann. Ein Buch muss mit etwas anderem "Maschine" machen, es muss ein kleines Werkzeug fuer ein Aussen sein. (Deleuze/Guattari)

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Nova Film Express Entwicklung
Ich setze die E-troden auf und greife nach dem Schalter vom Fast-Wipe. Die Expertensystemroutinen habe ich rausgeschmissen. "Los!" sage ich und druecke den Schalter. Worte. Worte reichen nicht aus: Du faehrst gewissermassen um Mitternacht auf einem Motorrad ohne Licht.. ueber eine Kuestenstrasse am Abgrund entlang.. in einem Tempo, so dass dich voellige Stille umgibt, weil du das Motorraddroehnen abhaengst.. blosses Dahinschiessen .. Hoellen-Teufel-Killer-Stoff, ungeschnitten, echt, der achtmal am Sonntag in eine Leere explodiert.. dieses Dahinschiessen, von innen gesehen ...

"Wort faellt-- Foto faellt-- Strassen aufrollen". Maschine dreht durch.. das Realitaetsstudio stuermen.. die Bandmaschine laeuft.. Durchbruch in den Grauen Raum... Foto faellt, Wort faellt. Der Realitaetsfilm gibt nach und beult sich aus wie ein Schott kurz vor dem Bersten.. die Zeiger stehen auf HYPER ..Eingaenge freikaempfen Wortverbindungen druchschneiden.. die Zeitmaschine dreht durch und setzt wahnwitzige Befehle und Gegenbefehle ab - elektrische Stuerme der Gewalt fegen ueber den Planeten - Staatschefs drehen ihre Bildstrahlen auf und versuchen die Welt mit billigen Kopien zu ueberschwemmen - Die wiederum werden von Anti-Bildern hinweggefegt.. was ist das bloss fuer ein Scheissapparat hier - Wo schaltet man denn hier um? - Ah da - Bitte kommen...

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