Matze Schmidt on Wed, 21 Jun 2000 09:18:55 +0200 (CEST)


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[rohrpost] Re: ACTIVE LINK Konferenz


Hallo,

>Internet-Konferenz: Donnerstag, 29. Juni, 17.00, Stuttgart
>ACTIVE LINK: Was macht einen LINK zum wesentlichen Element des Webs?

SELFHTML und Freedom for Links ziehen vor Gericht fuer die Freiheit der Links
http://www.teamone.de/selfaktuell/talk/rechtundlinks.htm

(SELFHTML ist ein seit Jahren bekanntes Projekt mit dem viele HTML gelernt
haben. Die beliebte deutschsprachige Einführung zum Erstellen eigener
Webseiten, wurde abgemahnt.)

Und das ist kein Einzelfall. Mit sog. "Deep Linking" haben auch andere
schon Probleme bekommen - es geht um die praktische Technik-Basis des
Internet:


Links müssen sich lohnen

    Ein Onlinehändler versucht die Regeln des Datenverkehrs neu 
 zu definieren: Der Hintereingang zur Website wird geschlossen

 Das Web war erfunden worden, weil hochbezahlte Wissenschaftler möglichst
schnell an die Informationen herankommen
 wollten, die sie für ihre Arbeit brauchten. Der Querverweis von einem
Dokument zu einem anderen spart vor allem dann
 Zeit, wenn er möglichst präzise auf den Punkt zielt, der im Zusammenhang
des Themas wichtig ist. Diese einfachen
 Regeln haben das Web über die Gemeinde der Wissenschaftler hinaus populär
gemacht. Aber ihre Tage sind gezählt.
 Wer im Web Geld verdienen will, braucht Links zu zahlenden Kunden, nicht
zu Informationen, die nichts kosten.

 Charles Conn zumindest ist fest davon überzeugt, dass wir neue Regeln für
den Datenverkehr brauchen. Conn, 37 Jahre
 alt, betreibt mit viel Erfolg eine Agentur, die online
Touristeninformationen und Eintrittskarten zu allen möglichen
 Ereignissen für gut 50 amerikanische, einige australische und
skandinavische Städte vertreibt (www.citysearch.com).

 Ein Aufsteiger aus dem Bilderbuch des E-Commerce. Als er seine Firma
letztes Jahr an die Börse brachte, waren die
 Aktien augenblicklich überzeichnet, und in desem Sommer fand sogar Bill
Gates, dass Conn von diesem speziellen
 Geschäft wohl mehr verstehe als Microsoft. Gates verkaufte seinen eigenen
Stadtinformationsdienst "Sidewalk" an den
 Absolventen der Harvard Business School.

 Microsoft ist seither mit soliden 13 Prozent am Kapital des
Kartenverkäufers beteiligt. Inzwischen kursieren Gerüchte,
 dass Conn die legendäre, aber finanziell ausgeblutete Village Voice
übernehmen könnte. Das Wochenmagazin, zu dem
 einige weitere Szeneblätter gehören, steht zum Verkauf an, und Conn ließ
verlauten, ein solches Standbein in der alten,
 analogen Welt erscheine ihm sinnvoll auch für sein Onlinegeschäft.

 Ohnehin denkt der Geschäftsmann, der im Nebenfach auch Philosophie und
Politologie studiert hat, gerne grundsätzlich
 über das Web nach. Die segensreiche Erfindung des Hyperlinks habe nämlich
ihre Funktion gewandelt, erläuterte er
 seine Erkentnisse in einem Interview mit dem C'Net-Magazin
(news.cnet.com/news//0-1005-201-345921-0.html). Das Web
 werde immer weniger dazu genutzt, nach unbekannten, womöglich
wissenschaftlichen Informationen und Dokumenten zu
 forschen, sondern dazu, "ganz praktische Dinge zu tun". Zum Beispiel
Eintrittskarten in Atlanta zu kaufen. Dieser Wandel
 habe sich "still und leise hinter den Kulissen" vollzogen, meint Conn,
aber er sei unaufhaltsam, wie der Erfolg des
 Buchvertriebs Amazon, des Onlineversteigerers eBay oder eben auch seiner
eigenen Firma beweise.

 Doch seit letzter Woche erregt Charles Conn nicht mehr nur mit seinen
kommerziellen Erfolgengen Aufsehen. Unter
 www.prnewswire.com/micro/TMCS ist eine längere Erklärung aus seiner Feder
nachzulesen, die an die Grundfesten des
 World Wide Web rührt. Anlass des bemerkenswerten Papiers waren ein paar
Links, die ein anderer, vergleichsweise
 bedeutungsloser Online-Kartenhändler namens "Tickets.com" auf einige der
hinteren Seiten von Conns Web-Portal unter
 www.Ticketmaster.com gesetzt hatte. Die Informationen, die dort zu finden
waren, schienen dem kleinen Konkurrenten
 auch sinnvoll für seine Kunden, doch Conn hetzte ihm umghend seine
Rechtsanwälte mit dem Argument auf den Hals,
 diese Praxis des "deep linking" sei eine krasse Verletzung des Urheberrechts.

 Tickets.com hielt dagegen, dass seine Verweise keinen einzigen Kunden
davon abhalten, bei Conn einzukaufen, wohl
 eher sei das Gegenteil wahrscheinlich, doch darauf kommt es dem Kläger
nicht an. Er verdient sein Geld nicht mit dem
 Verkauf von Eintrittskarten, sondern von Werbeplätzen auf seiner gut
besuchten Website. Just diese Kunden aber, die
 teuer für die minimale Chance bezahlen müssen, dass ein Surfer vielleicht
auch einmal auf ihre bunten Bildchen schaut,
 gehen leer aus, wenn jemand ohne Umwege unmittelbar auf ein Dokument
zugreift.

 Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens hat der Rechtsstreit grundsätzliche
Bedeutung. So ganz still und leise lässt sich
 das Web wohl doch nicht zum Vertriebskanal für Werbebanner
umfunktionieren. Vielmehr habe sich ein "natürlicher
 Konflikt" herausgebildet, schreibt Conn in seinem Papier. Auf der einen
Seite ständen Gesellschaften, die "riesige
 Mengen an Geld und Zeit" dafür aufwenden, die "Inhalte" ihrer Websites zu
entwickeln, wozu auch gehöre, "Kontakte mit
 Werbetreibenden" aufzubauen. Auf der anderen Seite aber, ahnt Conn, sei
die Möglichkeit, im Web prinzipiell jedes
 Dokument mit jedem anderen verknüpfen zu können, das "wesentliche
Element", das aus dem Internet jenes "mächtige
 Medium der Kommunikation, des Geschäfts und der Forschung" gemacht habe,
das wir heute kennen.

 Wohl wahr, aber mit der Idylle der wissenschaftlichen Gemeinschaft lässt
sich nun mal kein Geld verdienen. Conn schlägt
 deshalb nichts Geringeres vor, als einen Verhaltenskodex der Industrie,
der die technischen Möglichkeiten des Web
 begrenzt und an die Regeln einer vorerst nur vage definierten, fairen
Konkurrenz unter Geschäftsleuten anpasst. Es sei
 "hohe Zeit", schreibt Conn, präziser zu diskutieren, wann ein Link zu
einem bestimmten nachgeordneten Dokument einer
 fremden Website zulässig sei und wann nicht. Ein solcher Zugriff müsse in
jedem Fall unter den beteiligten Partnern
 vereinbart werden - nach Conns Meinung sollten sich sogar Suchmaschinen an
diese Vorschrift halten. Auch sie sollten in
 ihre Trefferliste nur noch die Adressen aufnehmen, die der
Website-Betreiber ausdrücklich als Kundeneingänge definiert
 hat.

 Anfang des Monats hatte der Onlineversteigerer eBay bereits die
Suchmaschine Yahoo wegen eines "deep link" auf
 seine hinteren Seiten verklagt. Conns Initiative hat durchaus Chancen, zum
Industiestandard zu werden. Die Folgen wären
 dramatisch. Nicht mehr die Roboter der Suchmaschinen, sondern ganze
Heerscharen von Rechtsanwälten würden das
 Web nach "deep links" durchsuchen, nach ebenjenen zielgenauen Verweisen
also, die am Anfang des Webs standen. Sie
 könnten schon bald ein Rechtsrisiko sein, das kein privater
Homepagebastler mehr eingehen kann.

 Niklaus Hablützel

 niklaustaz.de


 taz Nr. 5970 vom 21.10.1999 Seite 16 Internet 189 Zeilen
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