Tilman Baumgaertel on 12 Oct 2000 10:02:02 -0000 |
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[rohrpost] ICANN-Wahl |
Fuer alle, die's noch nicht gehoert haben (sind doch mehr als man denkt....) Gruesse, Tilman -------------------SCHNAPP!------------------------- INTERNET-WAHL - Der Sprecher des deutschen ChaosComputerClubs ist in den Vorstand der Icann, dem Gremium zur Verwaltung der Internet-Adressen, gewählt worden. Dort will Andy Müller-Maguhn für Transparenz sorgen. http://www.BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_zeitung/thema/.html/12artik092 182.html Der Hacker hat gewonnen von Tilman Baumgärtel BERLIN. 11. Oktober. Das Netz hat entschieden: in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist der Deutsche Andy Müller-Maguhn (28) von Internetnutzern zu einem von 19 Direktoren der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Icann) gewählt worden. Mit 5 948 der abgegebenen 11 309 europäischen Stimmen ließ er seine beiden europäischen Herausforderer hinter sich: die Politologin Jeanette Hofmann vom Wissenschaftszentrum Berlin erhielt 2 295 Stimmen. Telekom-Manager Winfried Schüller musste sich mit 990 Wählern zufrieden geben, obwohl er vom Direktorium der Icann vorgeschlagen worden war. Nun ist der Hacker und Sprecher des ChaosComputerClubs Müller-Maguhn einer der wichtigsten Entscheider in Sachen Internet. Denn als Icann-Direktor wird er über die Einrichtung von "domain names", also die Endungen von Internetadressen wie ".de", mit entscheiden. Die Vergabe dieser knapp gewordenen Adressen ist in den letzten drei Jahren zu einem immer wichtigeren politischen und wirtschaftlichen Thema geworden. Kompliziertes Wahlverfahren Müller-Maguhn wurde in der ersten weltweiten Online-Abstimmung mit echter politischer Relevanz gewählt. Etwa 76 000 Netznutzer haben sich für das komplizierte Wahlverfahren registrieren lassen. 34 042 haben tatsächlich an der Abstimmung teilgenommen - was nicht zuletzt daran lag, dass der zentrale Rechner, über den die Wahl abgewickelt wurde, immer wieder abstürzte. Wegen zahlreicher technischer Probleme wurde die Wahl, die eigentlich gestern Nacht um 20 Uhr Ortszeit an der amerikanischen Westküste enden sollte, um eine halbe Stunde verlängert. Die Online-Wahl, in der fünf Direktoren bestimmt wurden, hatte vom 1. bis zum 10. Oktober gedauert. Von weltweit rund 300 Millionen Netznutzern waren allerdings nur 76 000 registrierte Mitglieder der Icann stimmberechtigt. Von ihnen nahmen 34 Prozent teil. 14 weitere Direktoren werden von der Icann selbst bestimmt. Die fünf öffentlich gewählten Direktoren sollen jeweils eine Weltregion vertreten: die nordamerikanischen Wähler haben für Karl Auerbach, Mitarbeiter des amerikanischen Hardware-Hersteller Cisco, gestimmt. Wie Müller-Maguhn ist auch Auerbach bisher vorwiegend als Kritiker der Icann aufgetreten. Der Japaner Masanobu Katho von Fujitsu erhielt 13 913 von 17 745 der abgegebenen Stimmen aus Asien und dem pazifischen Raum. Der Brasilianer Ivan Moura Campos wurde von 946 der 1 402 Wahlteilnehmer aus Lateinamerika und der Karibik gewählt; Nii Quaynor aus Ghana schaffte es mit 67 von 130 Stimmen aus Afrika ins Icann-Direktorium. Demnächst ".shop" und ".sex" Vor allen 19 Direktoren liegt nun ein anstrengendes Ehrenamt, in dem es außer Reisespesen und einer gewissen internationalen Reputation nichts zu holen gibt. Während des nächsten Icann-Treffen im November soll über die Einrichtung von neuen Top Level Domains wie ".shop" oder ".sex" entschieden werden. Das wird Zeit, denn brauchbare Adressen mit ".com" oder ".de" am Ende gibt es kaum noch. Mehrere hundert Vorschläge sind bei der Icann bereits eingereicht worden. Andy Müller-Maguhn kritisiert, dass für diese Vorschläge 50 000 Dollar zu entrichten waren, was Privatleute, kleine Unternehmen sowie politische und soziale Initiativen vom Vorschlagsverfahren ausgeschlossen habe: "Ich kann mir vorstellen, dass für die Namen, die für kommerzielle Zwecke vergeben werden, Geld verlangt wird, das dann für Internetadressen ausgegeben wird, die von öffentlichem Interesse sind - so wie mit der Gewerbesteuer Parkbänke bezahlt werden." Außerdem will er sich bei künftigen Icann-Wahlen für mehr Transparenz und größere Bürgernähe engagieren. Eine begrüßenswerte Absicht: Obwohl die deutsche Presse ausführlich über die Wahl berichtete, kennen fast zwei Drittel der deutschen Internetnutzer Icann nicht. Das ergab eine Online-Umfrage des Hamburger Forschungsinstituts MediaTransfer. Nur 27,8 Prozent der insgesamt 1 000 Befragten war Icann überhaupt ein Begriff. ---------------------------------- Kasten: Bis 1998 bestimmte die US-Regierung Icann (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) ist eine regierungsunabhängige Organisation zur Verwaltung der Internet-Adressen und existiert seit Oktober 1998. Den Vorstand von Icann bildeten nach der Gründung zunächst neun Direktoren. Im November 1999 kamen neun weitere Direktoren hinzu, die von drei Organisationen entsandt wurden, die Icann unterstützen. Die neun ursprünglichen Direktoren sollen nach und nach durch im Internet gewählte Mitglieder ersetzt werden. Bei der Wahl wurden jetzt zunächst fünf Direktoren gewählt. An der Wahl für die Regionalvertreter konnte jeder Internetnutzer teilnehmen, der sich rechtzeitig dafür registrieren ließ. Bevor Icann gegründet wurde, regelte die US-Regierung zusammen mit beauftragten Firmen die Organisation des globalen Computernetzes. Diese US-Dominanz wurde in vielen Ländern kritisch gesehen. So hat die Firma Network Solutions seit 1992 die Vergabe von Web-Adressen im Auftrag der US-Regierung koordiniert. Wegen finanzieller Probleme stimmte Icann 1999 zu, dass Network Solutions vier weitere Jahre die Masterliste der Internetadressen verwaltet. Dafür zahlte die Firma 1,25 Millionen Dollar an Icann. Die Organisation im Netz unter: www.icann.org FOTO: Andy Müller-Maguhn (29), Hacker und Sprecher des ChaosComputerClubs, ist neuerdings auch eins von 19 Mitgliedern des Icann-Direktoriums. Er studiert an der Freien Universität Berlin Informationswissenschaften. Als Beruf gibt er "freier Mensch" und "freier Journalist" an. ------------------------------------------- http://www.BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_zeitung/thema/.html/12artik092 180.html Ein Triumph der Nutzer Tilman Baumgärtel Auch wenn sie nicht gewonnen hat, Jeanette Hofmann freut sich trotzdem. "Einen Triumph der Nutzer", nennt die Politologin das Ergebnis der Wahlen zum Direktorium der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Icann), bei der sie kandidiert hat. Und in der Tat: Mit der Wahl von Andy Müller-Maguhn in Europa und Karl Auerbach in Nordamerika haben die Netznutzer ihren Willen deutlich artikuliert. Sie haben zwei Vertreter gewählt, die sich für ein freies und unabhängiges Internet engagieren. Ein Internet, das nicht von den Interessen derjenigen dominiert wird, die im Netz Geld verdienen wollen. Winfried Schüller von der Deutschen Telekom, der von Icann als Kandidat vorgeschlagen worden war und als sein wichtigstes Ziel die Einführung der Internetadress-Endungen ".shop" und ".bank" angab, musste dagegen eine Wahlschlappe hinnehmen. Das soll nicht heißen, dass mit dem Ende der Wahl nun alles in Ordnung wäre. Ob eine Abstimmung, an der sich 34 000 von schätzungsweise 350 Millionen Internetnutzern beteiligen, demokratisch genannt werden kann, ist zweifelhaft. Dass von den Menschen, die es trotz Rechnerabstürzen und Wahlchaos geschafft haben, ihre Stimme abzugeben, nur 130 aus Afrika kommen, ist auch kein Zeichen globaler Demokratie. Auch dass zu den neuen Icann-Direktoren keine einzige Frau gehört, spricht nicht für eine freie und gleichberechtigte Wahl. Ein Erfolg ist jedoch, dass es überhaupt gelungen ist, eine weltweite Wahl zu einem relativ wichtigen Internetgremium über das Netz abzuwickeln. Dass die Icann durch dauernde Satzungsänderungen und regelmäßiges technisches Chaos zu deren Gelingen wenig beigetragen hat, sei ihr nachgesehen, weil es die erste derartige Wahl war. Ein Tohuwabohu wie bei dieser Abstimmung darf es freilich beim nächsten Mal nicht wieder geben. Wenn es denn ein nächstes Mal überhaupt gibt: Die Icann hat eine Studie zur Wahl in Auftrag gegeben. Die könnte durchaus ergeben, dass die Beteiligung der Nutzer an Gremien wie der Icann überflüssig ist. Dann war die erste Icann-Wahl auch die letzte. Und das wäre das schlimmste Resultat dieser Abstimmung. Ein Service von Berliner Zeitung, TIP BerlinMagazin, Berliner Kurier und Berliner Abendblatt. © G+J BerlinOnline GmbH, 12.10.2000 ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost