Krystian Woznicki on 4 Nov 2000 16:56:00 -0000


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[rohrpost] Berufsspinner vereinigt Euch! [7]


Hi,

hier der Bericht vom vermeintlich unabwendbaren Ende der GMD...

Gruss
Krystian

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Forschungsfusion: Das Ende der GMD
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Bund und Länder haben die Fusion der beiden
IT-Forschungseinrichtungen GMD und Fraunhofer-Gesellschaft
gegen den Widerstand von Wirtschaft und Wissenschaft
durchgeboxt.

Von Christiane Schulzki-Haddouti

Die GMD war einmal. Am Freitag fällte der Aufsichtsrat die
Entscheidung für die Fusion mit der Fraunhofer-Gesellschaft
zum 1. Januar 2001. Dreieinhalb Stunden wurde Tacheles
geredet, dann abgestimmt: Die Vertreter von Bund und der
Länder Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hessen stimmten für
die Fusion. Vertreter von Wissenschaft, Wirtschaft sowie
der Mitarbeiter stimmten dagegen oder enthielten sich.
Bernd Hartkopf, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats,
gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Damit setzte sich der politische
Wille durch." Am Vortag noch hatte der Wissenschaftliche
Beirat kritisiert, dass international anerkannte
Wissenschaftler im Rahmen des Fusionsprozesses "keine
Möglichkeit hatten, offen und uneingeschränkt am Entwurf
ihrer eigenen Zukunft mitzuwirken".

Aber auch die Wirtschaft zeigte sich nicht überzeugt:
Aufsichtsratsmitglied Joachim Claus von der Deutschen
Telekom hatte kurz vor der Sitzung angekündigt, nicht für
die Fusion zu stimmen. Erst am Vorabend war ihm das
Moderationskonzept von Sommerlatte und Picot vom
Ministerium zugestellt worden. Auch der Medienkonzern
Bertelsmann enthielt sich der Stimme.
"Es ist klar, dass die Fusion unprofessionell betrieben
wurde", sagte der Sprecher der GMD-Institutsleiter Thomas
Christaller gegenüber SPIEGEL ONLINE. Es habe sich zuletzt
nur noch um ein Machtspiel gehandelt, der Zweck der Fusion
sei bis zuletzt unklar gewesen. Seitens des Ministeriums
habe es geheißen, es sei genug Zeit vergangen und man müsse
nun Nägel mit Köpfen machen. Christaller: "Nicht eben
motivierend."

Die breite Kritik am Fusionsprozess brachte das
Bundesforschungsministerium zuletzt allerdings noch dazu,
der GMD ein Stück entgegenzukommen: Staatssekretär Uwe
Thomas versprach, bis Ende 2005 die Grundfinanzierung der
GMD nicht zu ändern. Dadurch entsteht für die GMD nicht die
ursprünglich vorgesehene Finanzierungslücke von 60
Millionen Mark. Für Christaller ist damit der umstrittene
Moderatorenvorschlag "vom Tisch". Moderator Tom Sommerlatte
hatte zuletzt noch darauf bestanden, dass das Konzept nur
"ohne Wenn und Aber" akzeptiert werden könne.
Finanziert wird dieser Ausgleich aus den UMTS-Milliarden,
ebenso wie die nun zugesagten zusätzlichen 70 Millionen
Mark für eine Projektvollkostenfinanzierung in den nächsten
fünf Jahren bei Instituten beider Einrichtungen. Dabei
können die Gelder sowohl für Grundlagen- als auch
Anwendungsforschung verwendet werden.

Die endgültige Zusage für die zusätzlichen Mittel steht
allerdings noch aus; sie soll erst Mitte November nach
einer interministeriellen Abstimmungsrunde gegeben werden.
Christaller: "Da haben wir erst einmal die Taube auf dem
Dach gekauft." Ende November schließlich wird die
Gesellschafterversammlung über die Übertragung der
Eigentumsanteile abstimmen. Das Ergebnis steht jetzt schon
fest, denn ihre Vertreter kommen aus Bund und Ländern.
Ob die Fusion erfolgreich wird, hängt vor allem davon ab,
ob die Mitarbeiter bleiben. Institutsleiter Christaller
jedenfalls verlor schon jetzt eine Forschungsgruppe
komplett. Die Mitarbeiter kündigten kurzfristig - mit Blick
auf die Fusion. Skeptisch zeigt sich Christaller bei
Neuanwerbungen: "Wissenschaftler sind robust in der
Selbstausbeutung, jedoch äußerst sensibel bei ihnen
auferlegten Bandagen."

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(C) SPIEGEL ONLINE - 03. November 2000, 18:26
Den Artikel erreichen Sie im Internet unter der URL
http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,101117,00.html

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Zum Thema:
Kontext: - Fusion GMD/Fraunhofer: Red Card für die Grundlagenforschung?
http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,99824,00.html
- GMD-Fraunhofer: Faule Fusion
http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,97640,00.html


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