frichter00 on 13 Dec 2000 00:44:27 -0000


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[rohrpost] durch den Hyperraum...



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Hier ein Auszug von einem Interview mit dem Physiker Michio Kaku u.a zu
aktuellen Zukunftsspekulationen, veröffentlich am 13.12.in "Die Welt"

: 1950 sagte Alan Turing für das Jahr 2000 einen Computer voraus,
der so intelligent sein würde wie ein Mensch.

Michio Kaku: Unsere besten Computer haben die Intelligenz einer
zurückgebliebenen Kakerlake. Ich lebe in New York, ich kenne mich mit
Kakerlaken aus. Turing meinte, die Intelligenz zeige sich im logischen
Spiel, Dame oder Schach. Aber unser bewusstes, logisches Denken ist nur die
Spitze des Eisbergs. 99 Prozent ist unbewusst. Woher wissen wir, dass man mit
einem Faden etwas ziehen, aber nicht schieben kann, dass Tiere keinen Schmerz
mögen, dass die Toten nicht zurückkommen? Woher weiß das ein Fünfjähriger?
Das ist nicht logisch abgeleitet, das ist das Ergebnis von Erfahrung und
gesundem Menschenverstand. Computer sind Rechenmaschinen. Unser Gehirn
ist eine Lernmaschine.

: Prognosen sind also mit Vorsicht zu genießen.

Kaku: Nehmen Sie den Film "2001" mit dem intelligenten Computer HAL. Der
Film lag um mindestens 50 Jahre daneben. Aber auch im Jahre 2051 werden
wir keinen HAL haben. Das habe ich versucht, Bill Joy zu erklären. Er ist
ein großartiger Software-Entwickler und Geschäftsmann, aber kein Physiker.
Er redet mit Software-Leuten, und sie erzählen ihm: Im Jahre 2050 kommt "Homo
Superior", das ist ein Software-Programm, das dem Menschen überlegen ist,
und das eherne Gesetz der Evolution verlangt, dass Homo Superior die Erde
übernimmt. Hans Moravec denkt genauso. Ich habe Bill Joy gesagt, dass Moores
Gesetz höchstens bis 2020 gilt, dann bricht die Hardware zusammen. Als
Physiker weiß ich, dass wir wegen der Heisenbergschen Unschärferelation keinen
Quantenrechner bauen können. Jedenfalls haben wir heute keine Ahnung, wie das
gehen soll, und es ist voreilig und eines Naturwissenschaftlers unwürdig,
einfach zu behaupten, dass die Computerleistung sich auch nach 2020 exponentiell
steigern lässt. Bill Joy macht sich der größten Sünde schuldig, die einem
Wissenschaftler unterlaufen kann: Er glaubt an seine eigenen
Pressemitteilungen.

: Vor 100 Jahren begründete Max Planck die Quantentheorie,
veröffentlichte Freud seine "Traumdeutung". Während die Psychoanalyse Teil
unserer Alltagskultur geworden ist . . .

Kaku: ... haben die Jahrhunderttheorien von Heisenberg und Einstein, die
Quantenmechanik und die Relativitätstheorie, das Alltagsbewusstsein kaum
durchdrungen. Obwohl deren Vereinheitlichung die größte Leistung des
menschlichen Geistes sein wird. Dann werden wir nämlich "Gottes Gedanken
lesen können". So wie wir Physiker mit der Superstring-Theorie die
Gedanken
Gottes beschreiben, handelt es sich um Musik, die den zehndimensionalen
Hyperraum erfüllt. Die Strings sind also wie Saiten, sie vibrieren und
erzeugen Töne, die man Materie nennt. Die Gesetze der Physik sind die
Harmonielehre,und wir sind Symphonien. Die Künstler haben zuerst begriffen, was es
mit dem Hyperspace auf sich hat. In Dalis "Corpus Hypercubus" ist das Kreuz
Christi ein vierdimensionales Gebilde. Im Mittelalter war die Kunst
zweidimensional: Für eine Kunst, die von einem allgegenwärtigen Gott ausgeht, gibt es
kein nah und
fern. In der Renaissance dominiert die dreidimensionale Perspektive des
menschlichen Auges. Und Picasso und die Kubisten versuchen, die Welt von
der
vierten Dimension her zu visualisieren.

: Nach neuesten Erkenntnissen dehnt sich das Universum immer
schneller aus, statt sich zu verlangsamen. Ist diese Beobachtung mit der
Superstring-Theorie kompatibel?
Kaku: Kompatibel schon, aber ein wenig deprimierend. Bertrand Russel war
deprimiert beim Gedanken an den Tod der Sonne, weil dann alles menschliche
Streben letztlich umsonst sei. Aber man könnte dem Sonnensystem mit
Raketen
entkommen. Nun gilt die Prognose des Kältetods für das ganze Universum. Da
gibt es nur einen Ausweg: dem Universum entfliehen.

: "Gibt", nicht "gäbe"?

 Kaku: Die Raumzeit muss man sich wie kochendes Wasser vorstellen - das
Kochen ist übrigens ein Quantenphänomen. Jedes Bläschen stellt ein
Universum
da. Während wir hier reden, entstehen Universen aus dem Nichts, wie unser
Universum aus dem Nichts entstand. Wir koexistieren mit diesen Universen
in
einem Multiversum. Könnten wir die Plancksche Energie nutzen, die Energie
des Urknalls, zehn hoch 19 Milliarden Elektronenvolt, bei der die Raumzeit
instabil wird, könnten wir durch ein so genanntes Wurmloch in ein anderes
Universum entkommen. Aber das ist eine Aufgabe, der sich erst eine
Zivilisation vom Typus drei stellen könnte. Im Augenblick befinden wir uns beim
Übergang vom Typus null zu Typus eins - das ist eine Zivilisation, die in der
Lage ist, die Energie eines Planeten zu kontrollieren: das Wetter, die
Vulkane, die Ozeane.
Zivilisationen vom Typus zwei kontrollieren die Energie eines Sterns.
Zivilisationen vom Typus drei kontrollieren die Energie einer ganzen
Galaxis.

 : Das klingt nun wirklich wie Sciencefiction ...

Kaku: Ist aber berechenbar. Bei einem konstanten Wachstum der
Weltwirtschaft
von drei Prozent jährlich sind wir etwa 100 Jahre vom Typus eins entfernt,
könnten den Typus zwei in ein paar tausend Jahren erreichen, den Typus
drei in etwa 100 000 Jahren. Jetzt sehen wir bereits die ersten Anzeichen einer
globalen Zivilisation, und wir haben auch das erste Umweltproblem vom
Typus
eins - den Treibhauseffekt. Warum gibt es da draußen im Weltraum
niemanden,
der uns kontaktiert? Eine Theorie lautet, dass Zivilisationen vom Typus
eins sich selbst zerstören. Jedenfalls ist der Übergang zum Typus eins der
gefährlichste,nicht wegen Bill Joy und der Roboter, sondern wegen der Gefahren
der Umweltverschmutzung und des Krieges. Wir befinden uns in einem Wettlauf
gegen die Zeit.

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