Krystian Woznicki on 10 Apr 2001 09:15:12 -0000


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[rohrpost] www.heimat.le


HEIMATEN
Leipzig vom 12. Mai bis 10. Juni 2001
Eröffnung am Freitag, dem 11. Mai 2001, 19.00 Uhr
Arbeiten von Songül Boyraz-Höll, Anny und Sibel Öztürk,
Reinigungsgesellschaft, Ruby Sircar, Shirana Shabazi, Rirkrit
Tiravanija, Tobias Z und Jun Yang

Kuratiert von Barbara Steiner und Jan Winkelmann

Was ist "Heimat"? Der Begriff, der keinen Plural kennt. Ein Ort, ein
Staat, ein Gefühl, ein Gedanke? Martin Luther sieht im "Himmel, die
Heimat der Christen", Franz Xaver Kroetz fasst den Begriff weit
irdischer, wenn er mutmaßt: "Heimat ist dort, wo man sich aufhängt!"
Joachim Riedl bezeichnet "Heimat" als einen "deutschsprachigen
Sehnsuchtsseufzer, der in anderen Kulturkreisen in dieser Bedeutung gar
nicht vorkommt."

Umgangssprachlich wird Heimat gerne mit einem "Sich zu Hause"-Fühlen
gleichgesetzt. Etymologisch bezeichnet der Begriff einen "Ort, wo man
sich niederläßt", mit anderen Worten eine Art "Stammsitz", einen Platz,
an dem man bleiben möchte. Der Begriff schließt jedoch auch eine gewisse
Mobilität mit ein, die ihm im Laufe der Jahrhunderte abhanden gekommen
ist: Denn das "Lager" kann (und muss manchmal) immer wieder woanders
aufgeschlagen werden.

Heimat wurde vor allem im 19. und im 20. Jahrhundert gerne mit Herkunft,
Geburt und Abstammung, gleichgesetzt und legitimierte Ausgrenzung und
Verfolgung. Auch heute handelt es sich nach wie vor um einen Begriff,
der oftmals gerne politisch instrumentalisiert wird. Eine Heimat/keine
Heimat haben wird insbesondere in Debatten um Migration gegeneinander
ausgespielt, wobei letzteres als unausgesprochene Bedrohung einer mühsam
hergestellten kollektiven (nationalen) Identität gesehen wird.

Gesellschaftlich werden Bilder von "Heimat" unaufhörlich produziert:
Film, Fernsehen, Literatur und Musik bilden das jeweilige (kollektive),
meist folkloristisch gefärbte Heimatgefühl ab und erzählen es nach.
Vor dem Hintergrund einer wachsenden Mobilität und einer immer weiter
fortschreitenden Globalisierung und Virtualisierung der Welt stellt sich
die Frage, inwieweit "Heimat" noch geographisch gedacht werden kann bzw.
ob nicht positive Aspekte einer Sozialität, die mit dem Begriff
assoziierbar sind, in einer anderen Weise gefasst werden müssen. Positiv
gesprochen, kann die Vorstellung von Heimat die Idee einer Gemeinschaft
formulieren helfen, die nicht mehr an einen geografischen Ort gebunden
ist. Doch nur, wenn "Heimat" fließend gedacht wird und mehrere Heimaten
zugelassen und denkbar werden, kann sie als Instrument zur Schaffung
gesellschaftlicher, insbesondere sozialer Perspektiven produktiv sein
und dabei Ein- und Ausschließung, d.h. Zugehörigkeit und
Ausgeschlossensein, vermeiden helfen.

In der Ausstellung "HEIMATEN" wird der Heimatbegriff in seiner multiplen
Besetzung und sozialen Dimension reflektiert. In den vorgestellten
künstlerischen Positionen steht der Begriff "Heimat" grundsätzlich auf
dem Prüfstand: als filmreifes Klischee (Reinigungsgesellschaft, Songül
Boyraz-Höll, Rirkrit Tiravanija, Jun Yang), als Herkunftsmythos (Tobias
Z., Ruby Sircar, Shirana Shabazi, Jun Yang) und als Bündel kultureller
Vorstellungsbilder (Anny und Sibel Öztürk, Rirkrit Tiravanija, Ruby
Sircar, Jun Yang). Die KünstlerInnen selbst sind in verschiedenen
kulturellen Kontexten aufgewachsen; ihr Verständnis von "Heimat" ist
grundsätzlich hybrid.

Die Ausstellung "HEIMATEN" entstand anläßlich des Spektakels
"www.heimat.le", das im Schauspiel Leipzig vom 18. bis 27. Mai 2001
stattfindet. Als Teil dieser Veranstaltung wird am 18./19., 22.-25. Mai,
jeweils um 20.45 Uhr, und am 20., 26./27. Mai, jeweils um 17.45, eine
Inszenierung von Michel Houellebecqs "Ausweitung der Kampfzone" unter
der Regie von Ulrich Hüni im Obergeschoss der Galerie zu sehen sein.

Termine

Do., 10.05.01, 19 Uhr
Reframed: "Die Kunst der 20er und 30er Jahre in Deutschland und der
Sowjetunion" / Barbara Steiner

Fr., 11.05.01, 19 Uhr
Eröffnung HEIMATEN

Sa., 12.05.01, ab 19 Uhr
Nachtschicht. 2. Leipziger Museumsnacht

So., 20.05.01, 11 Uhr
"Heimat DDR"
Brunch und Diskussion im Café u.a. mit Hans-Jürgen Pullem, Heidi
Stecker, Astrid Volpert, Moderation: Barbara Steiner

Fr. 25.05.01, 19 Uhr
"Heimatfilm"
Vortrag von Sönke Gau, Kulturwissenschaftler (Wien/Hildesheim) mit
anschließendem Filmprogramm

Mi., 23.05.01, 18 Uhr
Update 2.0. Aktuelle Medienkunst aus Deutschland
Vortrag mit Beispielen interaktiver Arbeiten von Rudolf Frieling und
Dieter Daniels, anschließend Videoprogramm
In Zusammenarbeit mit der HGB Leipzig
Mi., 30.05.01, 19 Uhr
"Diaspora und die Produktion von Lokalität"
Vortrag Prof. Dr. Waltraud Kokot, Ethnologin (Hamburg)

Ausblick:

Do., 21.06.01, 19 Uhr
Talk in der Galerie
Sa., 23.06.01, 19 Uhr

Eröffnung der Ausstellung "Double Vision"
24.06.01-19.08.01
Double Vision

Mit Arbeiten von Victor Burgin, Mat Collishaw, Tacita Dean, Willie
Doherty, Douglas Gordon, Richard Hamilton, Damien Hirst, Steve McQueen,
Vong Phaophanit, Richard Wentworth, Rachel Whiteread, Stephen Willats,
Jane and Louise Wilson, Richard Wilson
In Kooperation mit dem British Council und dem DAAD

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