GanzGarNix on 3 Oct 2001 13:56:51 -0000 |
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[rohrpost] G&GN-INFO: "POEM" im ZDF (aspekte 28.9.) |
WEITERGELEITET DURCHS G&GN-INSTITUT (www.GGN.de) OHNE GARANTIE FÜR DIE KORREKTE SCHREIBWEISE DER ERWÄHNTEN GEDICHTE SOWIE DIE SACHGERECHTE DARSTELLUNG DER ZUSAMMENHÄNGE!!! (Leider sind die meisten beteiligten Dichter tot und können sich nicht gegen Falschabdruck oder Neudeutschreform wehren...) WAS WIR IM INTERNET FANDEN UNTER: http://www.zdf.de/wissen/aspekte/Archiv/53787/index.html (zuletzt geändert am: Fr., 28. September 2001) _________________________________________ aspekte - Das ZDF-Kulturmagazin (TV-Sendung vom 28. September 2001): "Poem" - ein ganz privater Traum Eine Sandgrube im Brandenburgischen. 400 Nackte spielen Krieg - den Krieg der Geschlechter. Die Kampfeslust auf beiden Seiten kommt nur schwer in Gang: Es ist kühl, der Sand zwickt und überall lauern Kameras ... Und noch verwirrender: Es geht um Poesie. Gedreht wird an diesem gelbkörnigen Ort der Film "Poem" - der ganz private Traum eines gewissen, in gewissen Kreisen sehr bekannten Ralf Schmerberg. Er dreht einen Streifen, den vor ihm noch niemand probiert hat: Ein Kinofilm über deutschsprachige Gedichte. Er glaubt, es ist Zeit für sein Werk: "Ich rede ja vier Jahre über dieses Projekt, und das interessante ist eigentlich, dass ich mich an niemand erinnern kann, der mir abgeraten hat es zu tun. Selbstverständlich, wenn ich ein Gedicht kenne, und es liebe und mein Leben lang mit mir trage, und dann ins Kino gehe und jemand mir seine Version überstülpt, dann könnte ich natürlich erbost oder verletzt sein. Dann haben die Leute aber eine schwache Phantasie, wenn sie ihre eigene nicht aufrechterhalten können." Ralf Schmerberg gehört zu einer Generation von Filmemachern, die, wenn nötig, auch mal hergehen und schlichtweg konstatieren: "Hey, Kultur ist was Geiles!" So steckt er den mittlerweile längst der "Blechtrommel" entronnenen Schauspiel-Star David Bennent in eine Ritterrüstung und lässt ihn mitten in Berlin Georg Trakl rezitieren: Das Morgenlied Nun schreite herab, titanischer Bursche, Und wecke die vielgeliebte Schlummernde dir! Schreite herab, und umgürte Mit zartlichten Blüten das träumende Haupt. Entzünde den bangenden Himmel mit lodernder Fackel, Daß die erblassenden Sterne tanzend ertönen Und die fliegenden Schleier der Nacht Aufflammend vergehen, Daß die zyklopischen Wolken zerstieben, In denen der Winter, der Erde entfliehend, Noch heulend droht mit eisigen Schauern, Und die himmlischen Fernen sich auftun in leuchtender Reinheit. Schmerberg hat Bewegendes vor: Er will die vielfach gefeierte - wie auch beklagte - Generation Pop zur Lyrik locken. 24 Gedichte hat er zu einem Lebenszyklus vereint - und der beginnt bei ihm nicht etwa klassisch mit der Geburt - sondern mit dem ersten Sex: Tom de Toys: "ÜBERSTRÖMUNG" (siehe korrektes Original unter: >www.wulle.de/GGN/winfriedWandler/ueberstroemung.html<, Vorsicht: auch hier bei "aspekte" findet sich nur ein unautorisierter FALSCHABDRUCK ! - vergleichen Sie die formalen Details, z.B. "Gegenseitige Gegenwart" mit großen Anfangsbuchstaben zur Abhebung von der Kleinschreibweise; Anm. G&GN) Jedes Gedicht, jeder der 24 Lebensabschnitte, erhält eine eigene Note: Er nimmt ein Hermann Hesse Gedicht über verirrte Seelen und findet dazu groteske Traumbilder beim berühmten Sinnsucher-Spektakel "Burning Man" im amerikanischen Westen. Oder: die Verse von Mascha Kaléko: Sozusagen grundlos vergnügt Ich freu mich, daß am Himmel Wolken ziehen Und daß es regnet, hagelt, friert und schneit. Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit, Wenn Heckenrosen und Holunder blühen. - Daß Amseln flöten und daß Immen summen, Daß Mücken stechen und daß Brummer brummen. Daß rote Luftballons ins Blaue steigen. Daß Spatzen schwatzen. Und daß Fische schweigen. Die Zeilen von "Sozusagen grundlos vergnügt" der Dichterin Mascha Koleko setzt er als Kindertheater ins Bild - mit Meret Becker, den deutschen Kinozuschauern nicht zuletzt bekannt aus "Comedian Harmonists". Aber - warum das alles? "Ich liebe diese Verdichtung", so Schmerberg, "diese Klarheit der Sprache, was ich für mich selber entdeckt habe als etwas Reichhaltiges, was man viel mehr anwenden könnte im Leben. Wir leben heut in einer Zeit, wo wahnsinnig viel verloren geht, was wir später gar nicht mehr haben werden. Ich denke, dass wir am Verblöden sind. Man meint, wir wissen immer mehr, aber ich habe das Gefühl, wir wissen immer weniger." Direkter Blick auf das Leben Kein Zweifel: Da spricht einer, der selbst Teil der großen Pop- und Kommerz-Maschine ist - und der sich trotzdem als Rebell versteht. Und das von Anfang an: Schmerberg bricht die Schule ab und bringt sich selbst das Fotografieren bei. Und es dauert nicht lang, da hat er sich einen Namen als Werbe- und Kunstfotograf gemacht. Dann probiert er es mit der Filmkamera und dreht "Hommage a Noir", einen hochgelobten Dokumentarfilm über Schwarzafrika. Sein direkter Blick auf das Leben kommt an. Es folgen Videoclips für die Fantastischen Vier und andere Popstars. Mittlerweile ist Ralf Schmerberg einer der gefragtesten deutschen Werbefilmer, dreht in aller Welt Werbespots für Cola und Kreditkarten, Turnschuhe und eine große Bank. Und so einer will die Lyrik retten? "Dafür hab ich natürlich im Ausgleich 12 Jahre Praxis hinter mir, wo ich auch die Möglichkeit gehabt hab, Lastwagen von Geld zu verdrehen und wirklich professionelle Erfahrung zu machen. Ich konnte in der ganzen Welt Leute kennen lernen, und lernen von Menschen." Glaube an Schmerbergs Vision Die Werbejobs im Rücken und die Kontakte machen sein Filmprojekt "Poem" überhaupt erst möglich. Zahlreiche Hollywood-Kameraleute arbeiten aus alter Freundschaft mit. Stars wie Klaus-Maria Brandauer und Jessie Norman warten auf ihren Einsatz. Trotzdem kam von der deutschen Filmförderung kein Pfennig. Nur ein anglo-amerikanisches Produzententeam glaubt an Schmerbergs Vision. Mit dabei ist Ray Cooper, der Produzent von "Brazil". Er ist begeistert vom Projekt: "Die Leute werden staunen was sie da sehen - und das im Kino, wo es sonst nur um Explosionen, Musik und großes Tamtam geht. Das ist ganz o.k. so, wir alle verdienen unser Geld mit dieser Sorte von Filmen. Doch ab und an haben wir die Chance, etwas zu machen, das wir tief in unserem Herzen für wichtiger und bedeutsamer halten." Im besten Falle ein einzigartiges Stück Viel Herz und Geld ist schon in "Poem" geflossen: in Massenszenen im Märkischen Sand und Drehs auf der halben Welt. Im besten Fall wird daraus ein einzigartiges Stück Kino. Im schlimmsten Falle droht die Lyrik-Version von Christoph Schlingensiefs Kettensägenmassaker - und auch das gilt heute als Kunst. Lebenslauf von Ralf Schmerberg unter: >http://www.galerie-herrmann.de/arts/schmer/vita.html< ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste fuer Medien- und Netzkultur Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost Info: http://www.mikro.org/rohrpost Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de