Gerrit Gohlke on Sun, 14 Oct 2001 15:31:37 +0200 (CEST)


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Re: [rohrpost] PWC: Praktikumsplatz


sascha schrieb:
> 
> eben hohle versprechungen. dass dieser zustand mit einem lamento über die
> ach so trüben aussichten in berlin nicht besser werden, versteht sich von
> selbst. wir hier in der provinz kommen langsam davon ab, immer wieder den
> städtischen kulturplan mit unbezahlter arbeit zu verschönern. die parole
> kann nur lauten: arbeit gegen geld oder lebensmittel. alles andere ist
> nicht akzeptabel. als realist weiss ich natürlich, dass zwischen dieser
> forderung und (auch der eigenen lebens-) realität ne ziemlich grosse
> lücke klafft.
> --
> |||SaB.->


Lieber Sascha,

möglicherweise stehen wir vor der Gefahr, die Liste in eine
Off-Topic-Diskussion zu verwickeln; andererseits steht die
Medienkulturszene vor wenig anderen Problemen als der herkömmliche
Kunstbereich und hat bestimmte Probleme längst vorweggenommen.

Ich will nur kurz auf den Punkt hinweisen, der mir wichtig ist: Es wäre
ganz falsch anzunehmen, die nicht-institutionellen kritischen oder
kuratorischen Projekte vollzögen sich allein auf dem Gebiet der
Feierabendkunst. Die im PWC-Projekt gezeigten Künstler (z.B. Adib
Fricke, z.Zt. "Quobo" im Hamburger Bahnhof/Staatliche Museen Berlin,
oder Peter Friedl, z.B. Documenta X, Biennale Venedig) sind fern davon,
auf nicht-institutionelle Ausstellungsgelegenheiten zurückgreifen zu
müssen und sehen sich gewiß nicht als Produzenten privatimer Kunst.

Die gegenwärtigen Produktionsbedingungen in Institutionen mit ihrer
veränderten Publikumsausrichtung machen allerdings auch für etablierte
Künstler andere, intimere Produktionsorte nowendig. Man muß nicht soweit
gehen, wie der Künstler Thomas Eller, der provokanterweise kurzerhand
eine kategorische Unterteilung des Kunstbetriebes in U- und E-Kunst
gefordert hat. (Die Betrachtung des E-Musik-Betriebes weckt ja sofort
allerlei Befürchtungen auch für den, der sich am kunstbetrieblichen
Dauer-Pop zu langweilen beginnt.) Der Bedarf an diskursorientierteren
Kunstprojekten führt aber zu einem Bedarf an Aussellungsglegenheiten,
die sich maßstabsgenauer an den Absichten und Arbeitsweisen der
Künstlerinnen und Künstler orientieren als dies in großen
Ausstellungsprojekten offenbar zur Zeit möglich ist.

Das strukturelle Problem besteht also eben gerade nicht darin, daß die
Kunstproduzenten- und vermittler eine Industriegewerkschaft für bessere
Alimentierung gründen müssten, wie Du das suggerierst; sie hätten das
sonst schon getan. Das Problem besteht vielmehr darin, daß bisher die
öffentliche Förderung ebenso wie die öffentliche Publizistik
unzureichend auf eine intimere und maßstäblichere Kunstvermittlung
eingestellt ist. (Die Kunstpublizisten scheinen dieses Problem übrigens
bereits länger und intensiver zu reflektieren als es bislang die
Kunstkuratoren tun.) Es geht also gar nicht um ein Lamento über
fehlendes Geld, wie Du kritisierst, sondern um eine strukturelle Antwort
auf problematische Vermittlungsbedingungen. Diese Antwort steht noch
aus, und Du wirst sie nicht dadurch gewinnen, daß Du den beteiligten
Kulturproduzenten die Gewerkschaftsforderung "Arbeit gegen Geld oder
Lebensmittel" auf die Transparente schreibst. Aber daß zwischen Deiner
Forderung und Deiner Lebensrealität eine Lücke klaffe, hattest Du ja
bereits erwähnt.

Beste Grüße

Gerrit


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