Matze Schmidt on Wed, 31 Oct 2001 22:00:19 +0100 (CET)


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[rohrpost] n0name newsletter #39


n0name newsletter #39 Kreuzberg Fr., 29.10.2001 22:59 CET

<-------------- Breite: 74 Zeichen - Font: Courier New, 10 -------------->

*Inhalt/Contents*

1. Guenther Selichar's _screens, cold_
2. Interview mit Sascha Buettner (Wiesbaden)
3. Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Teil 7
4. Sampler
5. Sicherheit, Sauberkeit und Service durch Ueberwachung
   von Thomas Brunst und Juergen Korell

Don't "Go China"? verschoben auf n0name newsletter #40

30 KB, ca. 9 DIN A4-Seiten

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1. 

Guenther Selichar's _screens, cold_


Die alltaegliche Geschichte der Anzeigen und zeigenden Schirme ist
Fetisch. Ja, ja. nicht nur das Objekt kann Fetisch sein (wie in den 
70ern die Digitaluhren, die ihren Erfolg sicher den damals neuartigen 
Displays und damit auch neuen, eckig-stabfoermigen Zeichenformen zu 
verdanken hatten), auch der bildnerische Diskurs. Aufgeblasen und 
ge-chiquet - Guenther Selichar's Abzuege wurden mit einer 
Highgloss-Laminierung gezeigt, was die Bilder spiegelnd-glatt macht - 
bekommen die Displays der PDAs, die Monitore der Computer und 
Oszillatoren, Glas- & Plastikscheiben, aus denen Licht emittiert, 
auratische Zustaende. Nur, sie zum Faktor zu erklaeren, der die Welt 
zur Scheibe mache, der die Wahrnehmung des Natuerlichen kappen wuerde, 
wie Ausstellungsmacher Urs Stahel zitiert, grenzt beinah an eine 
Verlustargumentation, ohne Braunsche Roehre und Fluessigkristalle 
waere alles natuerlicher, mithin besser zu sehen. Displays 
verstellten, platonisch, die Welt, öffentlich und privat loesten 
sich (nach Kamper) auf, anstatt sie sich - die Probleme des real 
existierenden Ueberwachungstaats 2001 mit den Bildgebenden Verfahren 
der Biometrie inbegriffen - neu konfigurieren wuerden. 

Ich sehe kalte Screens, aber kalt heiszt nicht gleich falsch oder 
unwahr. Ich sehe zuerst minimalisierende Inszenierungen von Screens, 
die allesamt, mit mikroskopischem Blick, frontal aufgenommen wurden, 
als waeren sie schon Tafelbilder bevor sie als fotografische 
Reproduktion an der Wand haengen. Die Groszbildschirm-Industrie wirbt 
mit genau diesem Tafelbild-Effekt. Der Rekurs auf die angebliche 
Funktion der Wirklichkeits-Verstellung der Bilder - Was ist ein Bild? 
fragt Robert C. Morgan - laesst auf eine Skepsis Bildern gegenueber 
schlieszen, aber auch auf eine heimliche Abwehr, eine vielleicht 
protestantistische Ablehnung der Bilder als Artefakte? Ihnen soll 
gefaelligst Wahrheitscharakter zukommen, was sie nicht leisten 
koennen, weshalb sie falsch seien? Die grundsaetzliche 
mediatisierende Leistung der Bilder, technischer Bild- und 
Zeichengenerierungssysteme und grafischen Interfaces wird auch im 
Text von Hubertus von Amlunxen eher verworfen. Es herrsche eine 
"Losigkeit", die mit einer medialen Auszehrung des Raums 
gleichzusetzen sei. Zerstoerte nicht Heinrich Heine's Eisenbahn schon 
diesen Raum und lies nichts als die Zeit zurueck? 

Die Losigkeit, von der Amelunxen spricht, ist eine Bildwelt in der 
alle Referenzen abhanden gekommen sind, die bekannte Position des Endes 
aller Signifikant-Signifikat-Beziehungen. Wenn die Screens nun in 
reiner Potenz, naemlich zeichenlos, gezeigt werden, kommt die 
Abwesenheit von Information zum Vorschein in solcher Analyse dieser 
Screens, die genaugenommen Screens von Screen sind. Diese Abwesenheit 
wird nur als A-Material der allgemeinen, geschichtslosen 
Besinnungslosigkeit interpretiert. Was nichts speichernd zeigt und 
deshalb wie eine leere Schultafel, aber Welten jenseits des 
Freudschen Wunderblocks, der Be-Sinnung, einer sinnlichen 
Selbstvergewisserung entgensteht, ist schlecht. 

Dass Guenther Selichar nur die Displays zeigt, ohne den Kontext der 
Geraete, wird in die Naehe "virtueller Bildlichkeit" gerueckt (Morgan), 
Bilder demnach, die moeglich unmoeglich sind, nichtmateriell und ephemer. 
In mancher ScFi-Geschichte geraet das Raumschiff in Orientierungsnot, 
weil das Display ausgefallen ist, aber ohne Display wuerde fatalerweise 
auch nichts gesehen. Selichar's Foto-Screens - ganz direkt seine 
Arbeiten "Who's Afraid of Blue, Red and Green?" 1996/98 und 2000, eine 
Barnet Newman-Adaption - funktionieren analog, nur material-technisch 
gesehen entgegengesetzt, wie die geloecherten Werbeflaechen auf 
Straszenbahnfensterscheiben, die den Blick zerloechern, zerpixeln und 
pluren. Indem Selichar Repraesentationsmittel der Fotobildtechnik exessiv 
zeigt und mit dem Motiv Bildgebender Verfahren abgleicht, deren Praesenz 
als Objekt ihre Funktion verhuellen soll, verweist er vordergruendig auf 
keinen Zeichenapparat oder Fundus von Zeichen, sondern nur auf die 
Apparate, die solche Zeichen herstellen. Allerdings mit dem Impetus der 
Distanz: Voellig konträr den Tribalisierungen der Handy-Logos-Szene, die 
piktogrammige Zeichen prosumieren, 'ethnologisiert' der Fotoblick die 
Displays und zeigt sie objektiviert, so, dass man vielleicht mal ein 
Messer in sie stuerzt, wie bei Newman geschehen.

Soweit muß man nicht gehen, das Genialische wird ironisch auf der 
Webpage http://www.lot.at/EXTENS/selichar/ vetrieben, dort konnte 
eine Angebot von Guenther Selichar genutzt werden (Die interaktive 
Funktion (JavaApplet) wurde leider im Juli 2000 stillgelegt). Das 
Prinzip: individuelle Farbbalkenfolgen, Testreihen mit den Farben des 
Fernsehbildes, "eine freie, unlimitierte und sich staendig veraendernde 
Edition mitzugestalten", eine verteilte Bildermaschine.

Guenther Selichar. _screens, cold_. Katalog anlaesslich der 
gleichnahmigen Ausstellung. Wien: Triton Verlag, 2001. DM 33,70

Ali Emas <ali.emas@n0name.de>

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2. 

Interview mit Sascha Buettner (Wiesbaden)



Matze Schmidt (MS): Sascha, mit deinen Aktivitaeten - Mitorganisation des 
_boderline_ Kongresses (http://www.octopusweb.org/borderline/), 
_serverhappening_ (http://www.b0rderline.f2s.com), Vermittlung von 
Kunstbetrieb und Theoriebetrieb - positionierst du dich sozusagen zwischen 
genuiner Produktion und Aktivismuskritik. Dabei kommen dir, wie aus 
deinen Aussagen herauszulesen ist, immer wieder 'ethisch-politische' 
Fragen bezogen auf die Weiterentwicklung digitaler Freiraeume 
entgegen einer verengenden kapitalistischen Oekonomisierung. 
Das Thema Politische Kunst ist ein eigenes, denkt man sich; auffaellig 
ist jedoch, dass es momentan soetwas wie einen Fokus-Wechsel dorthin 
innerhalb einer bestimmten Generation von Aktiven in Datennetzwerken gibt. 
Wie erklaerst du dir das?


Sascha Buettner (SB): ich glaube nicht an eine akzeptable definition von 
dem was kunst, was sozial, politisch oder gar ethisch ist, zumal ich das 
ethische grundsaetzlich ablehne. die bezeichnung FOKUSWECHSEL finde ich 
angenehm. ich wuerde auch heute nicht mehr von einer art neubeginn einer 
68ger revolution reden, obwohl ich im gegensatz zu den 80ger, doch eine 
deutliche konstruktive politische agitation einzelner kuenstler + 
kuenstlerinnen sehe. ueber diese these sprach ich bereits auf einer 
tagung vor 5 jahren in breslau. die zeit des kollektiven dekonstruktivismus 
scheint ueberwunden. auch scheint sich luhmans systembeschreibung nicht zu 
bewahrheiten. ueberhaupt scheint alles eher in einer wabernden, putzigen, 
bewegung zu sein, eine art flusz, in dem auch politische, auch soziale und 
vor allem kuenstlerische stroemungen sich permanent vermischen. das fuehrte 
letztendlich auch zur namensgebung unseres servers "INFLUXUS". die dinge, 
die keiner klaren benennung beduerfen, da sie sich nur so frei entwickeln 
koennen.

die verhaltensweisen des kapital sind schwer einzuschaetzen, und vor allem 
nicht wirklich beeinfluszbar. es ist ein anderes, ein antikapitalistisches 
gesamtverstaendiss innerhalb eines breiten bevoelkerungsspektrums noetig. 
der kapitalmarkt hat sich das internet zu nutze gemacht. dies darf man 
nicht verkennen. die kommunkationgesellschaft ist ein produkt des 
derzeitigen superkapitalismus. er hat das internet aus seiner 
militaerischen rolle in eine kapitalistische ueberfuehrt (nebenbei bemerkt: 
gibt es da einen unterschied? muessen wir nicht wieder vom militaerisch-
industriellen-komplex reden?), nur ist hier etwas seltsames passiert. in 
seiner ersten phase entwickelte das system "internet" eine "super-
neoliberale" auspraegung, die oft mit einer "anarchistischen nicht-
kontrolliertheit", einer "autonomen zone" verwechselt wurde. ich sehe aber, 
und dies nicht zuletzt vor den juengsten ereignissen, das der faktor der 
kontrolle (und hier meine ich nicht nur ueberwachung) immer mehr gewicht 
bekommt.

informationen aus dem netzt sind im kontext immer kapitalistisch gepraegt, 
auch wenn sie das system kritisieren. was ein kuenstler hier leisten kann, 
waere eine form der nicht bestimmung. ein annaehern an eine form der 
absoluten aufloesung aller vorhandenen kapitalistisch verwertbaren 
strukturen. malewitsch folgerte bereits 1922, das der sozialismus nur 
eine zwischenstufe der nachkapitalistischen gesellschaft ist, aber durch 
viele unterschiedliche versuche immer wieder neu beginnen und scheitern 
wird. die endphase sah malewitsch in der ueberwindung des sozialismus, weil 
auch dieser nur materielle ziele hat. es geht deshalb primaer um die 
aufloesung aller materiellen denkstrukturen. diese form hat er bekanntlich 
als suprematismus bezeichnete. ich denke auch das www wird sich in der 
zukunft suprematistisch entwickeln.


MS: Mit dem von dir veranstalteten _serverhappening_ im September 2001 
hast du unter der Vorgabe des Potlatsch besonders die Fantasie vom flachen 
Sharing-Raum stark gemacht, die Resonanz war quotentechnisch betrachtet 
jedoch nicht sehr hoch. Enttaeuschend aber war vielleicht die Tatsache 
eines Misverstaendnisses seitens der Teilnehmer: es wurde zwar kraeftig 
hochgeladen, aber wenig Resampling betrieben. Genau dieses Moment des Aus- 
und Tausches wurde etwas verfehlt. Ist die Idee, Open Source-artige 
Strukturen in zunaechst zweckungebundene Umgebungen zu implantieren 
illusorisch, oder lagen die Gruende fuer dieses "Verfehlen" in szenischen 
Grenzen, die auf eine gar nicht so "offene" translokale Internetgemeinde 
schlieszen lassen?


SB: es ist doch immer so: der anfang ist voller erwartung und dann..., 
aber hier ist der zeitpunkt wichtig. es passierte etwas, nun kann darueber 
berichtet und erzaehlt werden. in der fortsetzung werden es weitere 
personen wahrnehmen und aktiv werden. ich denke vielen fehlte auch der 
mut aktiv zu intervenieren. es ist ja auch immer das ding mit dem 
anspruch. es will jeder doch einem solchen gerecht werden. auch mit dem 
was er tut. im netz (und waehrend des serverhappenings schon gar nicht)
ist niemensch unbeobachtet. es besteht die gefahr mit seinen bildern oder 
worten enttarnt zu werden. jedes foto, jede beschreibung, ist von 
unbekannten verifizierbar. ich plane eine fortsetzung in einer 
abgeaenderten form. ich koennte mir vorstellen, dass texte zerhackt 
einflieszen koennen, die zwar keinerlei inhalte mehr transportieren, 
aber sichtbare zeugnisse eines handeln sind. diese waeren dann nur noch 
von dem eigentlichen autor identifizierbar, verschluesselt und absolut 
kryptisch. bilder muessten aus dem netz gesaugt und auf den server 
ausgespuckt werden, meschanisch, ja stakkatoartig, einer 
maschinengewehrsalve gleich. das waere der rythmus des netzes. ich werde 
mich vor allem um einen groessere streuung bemuehen und versuchen mehr 
aktivisten + aktivistinnen zu erreichen.


MS: Du bist in Wiesbaden im BBK-Vorstand, dem als eher konservativistisch 
geltenden Berufverband Bildender Kuenstler in Deutschland. Siehst du die 
Chance, die Arbeit innerhalb einer solchen Organisation im Sinn eines 
breiteren und sozio-aesthetischen Selbstverstaendnisses neu zu 
definieren? Schliezlich lagert dieser Verband traditionell wichtige 
kulturpolitische Verknuepfungen, die zur Kritik an kulturellen Formaten 
in Kopplung mit technischen Formaten genutzt werden koennten.


SB: das gerade ist mein ziel. eine bestehende institution weiterzufuehren. 
zwar empfinden die zumeist ueber 70 jaehrigen mitglieder kaum noch 
anknuepfungspunkte, aber sie verspueren eine bewegung in eine neue 
richtung. lob aus diesem personenkreis empfinde ich als besonders 
bestaetigend. der bbk wird durch meine art der aufmischung in bewegung 
gesetzt. durch bewegung entsteht waerme, also ein positives element. Was 
daraus folgt, bleibt offen. der bbk koennte sich so erweitern, dass er 
die mitglieder ausserhalb der traditionellen formen kuenstlerischen 
schaffens sucht. die aufnahme von personen aus den geisteswissenschaften 
oder dem poltisch/sozialen sektor ist sicher in naher zukunft denkbar. 
auch der rahmen, der die definition der kuenstlerischen festsetzung, 
also dem, was kunst ist, bestimmt, wird sich veraendern.

der borderline kongress waere nicht mit der vorhandenen bbk struktur 
durchfuehrbar gewesen. es gelang mir bereits 2000, hier wichtige, 
ortsansaessige, kulturelle grupierungen anzusprechen. haette ich nicht mit 
der umformung des bbk wiesbaden begonnen, so haetten sich unter umstaenden 
die  verhandlungen mit dem kgb oder dem "atelier bratwurst" oder der 
"new art activism kooperative" als aeusserst schwierig gestaltet. ich 
denke, dass diese eher radikalen gruppen mit einem traditionell gefuehrten 
bbk nicht kooperiert haetten. kurz, ich gehe mit meinem engagement im bbk 
den umgekehrten weg vieler politischer kuenstler: ich nutze die 
konservative huelle, um mit diesem schutz, radikale veraenderungen 
voranzutreiben. morgen werde ich im bbk vereinsheim einen altar aufbauen, 
an dem einmal im monat der tod des autors (und der autorin) gefeiert wird. 
es haben auch schon einige kuenstler und kuenstlerinnen zugesagt, die 
dafuer noetigen reliquien zu schnitzen und unentgeltlich zur
verfuegung zu stellen. auch opfergaben sind im gespraech. eine 
weiterfuehrende aktion wird sein: jedem studio-artist einen toten hasen 
ans gebaelk zu nageln. dem koennen diese kuenstler und kuenstlerinnen 
dann ihre bilder erklaeren.


Sascha Buettner <saschabuettner@influxus.net>
"sascha buettner" ist ein "multiple name".
mehr informationen dazu unter
www.identitaetsmaschine.org und www.influxus.net/praxis/idmtool/index.htm

Matze Schmidt <matze.schmidt@n0name.de>

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multifiction://intershop
im, mit oder gegen den strom?
streaming media im www - zwischen kunst, kulturindustrie und kommerz

Fachtagung in der Reihe interfiction
im Rahmen des 18. Kasseler Dokumentarfilm und Videofests
Kassel, 14.11.-18.11.2001

http://www.interfiction.net

u.a. mit Sascha Buettner, Marlena Corcoran, Reinhold Grether,
Monika Halkort, Mario Hergueta, Karin Hinterleitner,
Ralf Homann & pingfm.org, indymedia, Verena Kuni,
Anders Turge Lehr, Ulf Schleth, Matze Schmidt, Anne Schreiber, 
Florian Thalhofer

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3. 

Nick. _Roman_ (Fortsetzungsroman) Teil 7

Der Mythos eines ungebaendigten krautigen Etwas umschlosz ihn. Dann
entschloss er sich mit dem Laser Schneisen da rein zu schlagen. 
"Zzzsosch".
Und "Zzzsosch".

Teil 8 im n0name newsletter #40

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4. 

"Migration is globalisation from below."

"Globalisation" is bullshit. It is euphemism.

fibreculture is no globalisation It is Migration. 

where too? 

to afghanistan? where there is pain

to usa? where there is rain

Sample(r) your life

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5.

*Sicherheit, Sauberkeit und Service durch UEberwachung*
von Thomas Brunst und Juergen Korell


Bereits 1997 warb der Bundesgrenzschutz (BGS) im Mainzer Hauptbahnhof mit 
einem Plakat der Gewerkschaft der Polizei bei Bahnreisenden mit "groszen 
und kleinen Problemen", die der BGS noch bevor etwas passierte durch 
zuegiges Handeln loesen wollte.1

Offenbar war dieses Konzept nicht von Erfolg gekroent, denn die Deutsche 
Bahn AG entwickelte nun das 3-S-Konzept ein "Wohlfuehlprogramm". 3-S 
steht fuer Sicherheit, Sauberkeit und Service. Es verbirgt eine 
lueckenlose UEberwachung der Bahnhoefe.2 Fuer das 3-S-Konzept erhielt die
Bahn AG den Big-Brother-Award Deutschland 2000 in der Kategorie Behoerden 
und Verwaltungen.3 Nachdem das Konzept in den Bahnhoefen von Frankfurt am 
Main und Hamburg getestet worden war, soll es auf die Bahnhoefe von 
Berlin-Zoo, Hannover, Dresden und Neustadt ausgeweitet werden.4

Bahnchef Mehdorn kuendigte darueber hinaus ein haerteres Vorgehen gegen 
Randalierer, aggressive Bettler, zudringliche Dealer und Drogensuechtige 
an. Doch nur die boesen Randstaendigen sollen nach dem Ermessen der 
Sicherheitskraefte verjagt und gegebenenfalls angezeigt werden. Der brave,
demutsvolle und ruhige Bettler darf im Bahnhof bleiben.5 Schlieszlich 
soll der gut betuchte Bahnkunde nicht nur sein Geld in den Laeden der 
Bahnhoefe ausgeben duerfen, sondern auch den Armen das ueberfluessige 
Kleingeld in den Hut werfen koennen. 

Sonderstreifen der Bahn Schutz und Service GmbH (BSG), ausgestattet mit 
Cargohosen, rotem Barett und "Mehrzweck-Rettungsstock", wie der in 
ungeuebten Haenden zum Totschlaeger mutierte Tonfa genannt wird, 
patrouillieren 24 Stunden lang ueber das Bahnhofsgelaende. Die Bahn 
steigert ihre Ausgaben dafuer um zwei auf insgesamt 52 Millionen Mark.6 
Durch Milliardeninvestitionen in die Sanierung sollen die Bahnhoefe ihr 
Schmuddelimage verlieren. Zur schnelleren Beseitigung von Graffiti und 
Spuren von Vandalismus steigert die Bahn die Ausgaben von 100 auf 170 
Millionen Mark. Auszerdem sollen mehr UEberwachungskameras und 
Notrufsaeulen installiert sowie der Informations-Austausch mit Polizei, 
Bundesgrenzschutz und Kommunen, aber auch mit den Bahnhofsmissionen und 
Tiefgaragenbesitzern verstaerkt werden.7 

Bundesinnenminister Schily als Dienstherr des BGS vereinbarte mit dem 
Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, eine 
Ordnungspartnerschaft. Sichere, saubere und ordentliche Bahnhoefe 
erforderten eine enge Verzahnung bahnpolizeilicher Masznahmen und der 
Sicherheitsvorsorge der Deutschen Bahn, liesz Schily die OEffentlichkeit 
wissen. Der bahneigene Sicherheitsdienst BSG solle daher zusammen mit 
BGS-BeamtInnen auftreten. Die Bundespolizei BGS wird bei der 
Zusammenarbeit mit den privaten Diensten durch deren Wahrnehmung des 
Hausrechts unterstuetzt. Gleichzeitig soll der Informationsaustausch 
zwischen den Fuehrungsebenen des BGS und der Bahn intensiviert werden. 
Aus gemeinsamen Lagebildern sollen entsprechende Masznahmen abgeleitet 
werden, bei denen der BGS die Einsatzleitung zu uebernehmen hat. Man 
fuehrt gemeinsame UEbungen durch und unterstuetzt sich gegenseitig bei 
der Fortbildung der MitarbeiterInnen, um fuer Ad-hoc-Lagen und 
Schwerpunkteinsaetze gewappnet zu sein.8 

Die gemeinsamen Einsaetze erfolgen nach unterschiedlichen Modellen: 
Sie reichen von der oertlichen und zeitlichen Abstimmung der jeweiligen 
uniformierten Streifen von BGS und BSG in einem Einsatzraum bis zu 
gemischten Streifengaengen. Auf diese Art verbinden sich das 
kostentraechtige Know-how der Polizei mit der Wirtschaftlichkeit des 
privaten Sicherheitsunternehmens. Die Vereinbarungen werden von einer 
Koordinierungsgruppe ueberprueft. Bei der Security der Bahn AG ist ein 
Verbindungsbeamter des BGS eingesetzt.9 

Die Grenzschutzpraesidien wussten aufgrund ihrer ersten Erfahrungen dem 
Innenministerium von einem effektiven Personaleinsatz bei einem 
gleichzeitig gesteigerten Sicherheitsniveau aufgrund der Vereinbarungen 
zwischen Bundesinnenministerium und der Deutschen Bahn AG zu berichten. 
Eine Anfrage bei dem Bundesbeauftragten fuer den Datenschutz sollte 
klaeren, ob durch die gemeinsamen Streifen von BGS und BSG 
personenbezogene Daten dem privaten Sicherheitsmann unbefugt zur 
Kenntnis gelangen koennen.

Das Bundesinnenministerium vertritt dazu die Auffassung, dass bei der 
Durchfuehrung gemeinsamer Streifengaenge eine gemeinsame Datenerhebung 
nicht stattfindet. "Bei lageabhaengig auftretenden gemischten Streifen 
werde eine mit polizeilichem Handeln einhergehende dienstliche 
Taetigkeit ausschlieszlich von Polizeibeamten des Bundesgrenzschutzes 
durchgefuehrt, wobei sichergestellt sei, dass personenbezogene Daten 
im Bereich des BGS verblieben und die Persoenlichkeitsrechte des 
Einzelnen gewahrt wurden. Diese geschehe praktisch dadurch, dass 
aktuelle Personenfahndungen vorher angekuendigt werden und der 
Polizeivollzugsbeamte so die Moeglichkeit hat, sich fuer den Austausch 
personenbezogener Daten auszer Hoer- bzw. Sichtweite des privaten 
Sicherheitsunternehmens zu begeben. Soweit dies aufgrund erheblichen 
Publikumsverkehrs nicht moeglich ist, sollen Hoer-/Sprechgarnituren 
eingesetzt werden. Im uebrigen sehe die Ordnungspartnerschaft vor, 
mindestens zwei derartige Streifen oertlich und zeitlich, so 
einzusetzen, dass jederzeit schnellstmoegliche gegenseitige 
Unterstuetzung gewaehrleistet ist. Damit sei insbesondere auch 
sichergestellt, dass bestimmte Einsatzmasznahmen von vornherein 
ausschlieszlich von BGS-Beamten durchgefuehrt werden koennen."10

Die Praxis lehrt allerdings, dass bei gemeinsamen Streifen, jeder 
Streifenteilnehmer aktiv wird. Jede andere Annahme ist fern der Praxis. 
Es wird ein persoenliches Verhaeltnis aufgebaut, an dessen Ende es den 
Beteiligten egal ist, aus welchen Bereichen sie stammen. Sie tauschen 
sich aus und tauschen dementsprechend auch personenbezogene Daten aus, 
weil sie letztendlich aufeinander angewiesen sind. Theoretisch ist die 
Einhaltung des Datenschutzes zwar anzuweisen und darum hat der 
Bundesdatenschutzbeauftragte das Bundesinnenministerium auch gebeten, 
doch praktisch ist der Datenschutz nicht zu gewaehrleisten. Das muessten 
die Verantwortlichen eigentlich wissen. Sie koennen sich aber wieder 
einmal aufgrund entsprechender Anordnungslagen aus der Verantwortung 
ziehen. So wusste die taz Hamburg von einer Kontrolle einer gemischten 
Streife von BGS und BSG im Hamburger Hauptbahnhof zu berichten: "UEber 
Funk werden die Daten abgeglichen. "Ist das auch die Adresse, wo sie 
gemeldet sind?", fragt der BGSler, und der BSG-Mann hakt notierend nach:
"Dort wohnen sie wirklich?"11 

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befuerchtet eine Vermischung 
hoheitsrechtlicher und privatrechtlicher Aufgaben. Obwohl die GdP den 
Ordnungspartnerschaften aufgeschlossen gegenuebersteht, wuerde sie lieber
getrennte Doppelstreifen von BGS und BSG sehen. Der Bahnsicherheitschef, 
Jens Petersen favorisiert weiterhin das Modell der gemischten Streifen. 
Schlieszlich sei es seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken, dass das 
Modell vertraglich verankert worden sei. Er sehe nun keine Moeglichkeit 
mehr, den Vertrag mit dem Innenminister zu aendern.12 

Die Befuerchtung, dass Private Sicherheitsbedienstete Polizeiaufgaben 
uebernehmen, scheint sich durch einen Vorfall in der Hamburger S-Bahn-
Wache zu bestaetigen. Auf dem Hamburger Bahnsteig Jungfernstieg wurde bei 
einem 15-jaehriger Jugendlichen aus Sierra Leone eine Fahrkartenkontrolle 
durch Angestellte der Fa. Securitas durchgefuehrt. Obwohl der Jugendliche 
die entsprechenden Karten vorzeigen konnte, wurde nach seinem Ausweis 
verlangt, den er mit dem Hinweis verweigerte, dass es sich nicht um 
Polizei handele. Daraufhin sei der Jugendliche geschlagen, zur Wache 
gebracht und weiter geschlagen worden. Nach Darstellung der Securitas-
Maenner habe der Junge die Maenner angegriffen. Einer erstattete 
Strafanzeige wegen Koerperverletzung, die andern fungieren als Zeugen. 
Nach Angaben des BGS habe sich der Junge "koerperlich betaetigt" als ihn 
die Sicherheitsmaenner am Schlucken "rauschgiftaehnlicher Substanz" 
hindern wollten.13 Hier zeigt sich sehr wohl die Gefahr, dass Private 
Sicherheitsangestellte sehr gerne Polizeiaufgaben uebernehmen, die sich 
aus deren Aufgabenstellung von ganz alleine ergibt. 

Derzeit werden 42 Bahnhoefe in ganz Deutschland videoueberwacht. Allein 
in dem sanierten und modernisierten Leipziger Hauptbahnhof sind 140 
Videokameras installiert und sorgen in den 130 Geschaeften fuer ein 
sicheres Einkaufserlebnis. UEberwacht werden die Kameras in trauter 
Gemeinsamkeit von der BSG und dem BGS. Innerhalb von drei Minuten muss 
eine Sicherheitsstreife eingreifen koennen, was eine entsprechende 
Konzentration im Bereich der Videokameras voraussetzt. 

Gegenueber den 140 Kameras im Leipziger Vorzeige-Bahnhof ueberwachen 
drei Kameras der Leipziger Polizei die kriminalitaetsgeografischen 
Brennpunkte vor dem Bahnhof und in der Innenstadt. Angeblich habe die 
Videoueberwachung zu einem drastischen Rueckgang bei Einbruchs- und 
Taschendiebstaehlen gefuehrt, wobei der Drogenhandel weiterhin 
floriere.14 Mit den neuesten Modellen der verdeckten Videokameras sollen 
die datenschutzrechtlichen Bedenken zerstreut werden. Die Kameras 
koennen so programmiert werden, dass sie zur
Wahrung der Privatsphaere Sperrbalken ueber das Videobild legen. So kann 
der bahnreisende Geschaeftsmann beim Betreten eines Sexshops unerkannt 
bleiben. Die Industrie weisz zudem wie trotz eines vermehrten Einsatzes 
von Videokameras Personal eingespart werden kann. Computer koennen die 
UEberwachung der Kameras uebernehmen, indem sie bei bestimmten 
Feststellungen Alarm schlagen.15

Der hessische Revolutionaer und Dichter Georg Buechner, prophezeite: 
»Wer das Schwert erhebt gegen das Volk, der wird durch das Schwert des 
Volkes umkommen.«16 Mit anderen Worten ausgedrueckt: Auf Dauer laesst 
sich die Gesellschaft nicht staendig und ueberall ueberwachen. Ebenso 
wenig lassen sich die gesellschaftlichen Auszenseiter und 
Wohlstandsverlierer staendig vertreiben. Auch dann nicht, wenn es 
demokratisch legitimiert erscheint, weil damit Ausgrenzung und 
Unterdrueckung verbunden ist.
_____
1 Das Modell New York: Kriminalpraevention durch Zero Tolerance, Hrsg.: 
  Dreher, Gunther/Feltes Thomas, Holzkirchen/Obb. 1997, S. 143
2 Die Zeit 48/2000
3 Die Zeit 48/2000 [http://www.bigbrotherawards.de/2000/.gov/index.
  html , n0name Redaktion]
4 Heilbronner Stimme v. 6.8.2001
5 Allgemeine Zeitung v. 2.8.2001
6 Wiesbadener Kurier v. 2.8.2001
7 ebd.
8 Cilip 68, S. 70
9 ebd.
10 Schreiben des Bundesbeauftragten für Datenschutz v. 17.7.2001
11 taz Hamburg v. 23.7.2001
12 Deutsche Polizei 7/2001
13 taz Hamburg v. 19.6.01
14 ebd.
15 ebd.
16 Jungle World 33/2001

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Kritik der politischen Ökonomie



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meinem unvergeßlichen Freunde,
dem kühnen, treuen, edlen Vorkämpfer
des Proletariats
WILHELM WOLFF
Geb. zu Tarnau, 21. Juni 1809.
Gest im Exil zu Manchester 9. Mai 1864

Vor- und Nachworte

Vorwort zur ersten Auflage

    Das Werk, dessen ersten Band ich dem Publikum 
übergebe, bildet die Fortsetzung meiner 1859 veröf-
fentlichten Schrift; »Zur Kritik der Politischen Oeko-
nomie«. Die lange Pause zwischen Anfang und Fort-
setzung ist einer langjährigen Krankheit geschuldet, 
die meine Arbeit wieder und wieder unterbrach.
    Der Inhalt jener früheren Schrift ist resümiert im 
ersten Kapitel dieses Bandes. Es geschah dies nicht 
nur des Zusammenhangs und der Vollständigkeit 
wegen. Die Darstellung ist verbessert. Soweit es der 
Sachverhalt irgendwie erlaubte, sind viele früher nur 
angedeuteten Punkte hier weiter entwickelt, während 
umgekehrt dort ausführlich Entwickeltes hier nur an-
gedeutet wird. Die Abschnitte über die Geschichte der
Wert- und Geldtheorie fallen jetzt natürlich ganz weg.
Jedoch findet der Leser der früheren Schritt in den 
Noten zum ersten Kapitel neue Quellen zur Geschich-
te jener Theorie eröffnet.
    Aller Anfang ist schwer, gilt in jeder Wissenschaft.
Das Verständnis des ersten Kapitels, namentlich des 
Abschnitts, der die Analyse der Ware enthält, wird 
daher die meiste Schwierigkeit machen. Was nun 

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