Henning Ziegler on Wed, 12 Jun 2002 12:35:14 +0200 (CEST) |
[Date Prev] [Date Next] [Thread Prev] [Thread Next] [Date Index] [Thread Index]
[rohrpost] Widerstand jenseits des Normativen |
Widerstand jenseits des Normativen Henning Ziegler 12. Juni 2002 10:50 Zu Karsten Webers Telepolis-Artikel "So ist Privacy nicht zu retten" (http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/konf/12700/1.html) "Enfopol, Echelon, Digital Rights Management Systems: all diese brisanten Themen wurden in der Regel nur von Insidern diskutiert und in der Öffentlichkeit nicht aufgenommen. Es wäre durchaus wichtig, diesen Sachverhalt sozialwissenschaftlich zu durchdringen und durch empirische Untersuchungen zu erfahren, warum sich dies so verhält." Da Karsten Weber meinen Kommentar zu Beate Rösslers Vortrag negativ erwähnt hat und fälschlicherweise in Zusammenhang mit einer neoliberalen Position gebracht hat, hier nochmals die Argumentation. Mir scheint, man kann zwei Positionen ausmachen: Die Privacy-Aktivisten und die Direktmarketingmenschen und Überwacher. Beide Positionen, wenn sie normativ begründet sind à la Rössler, müssen vom gleichen "autonomen Subjekt" ausgehen: bei Rössler ist es der frei entscheidende Mensch, bei den Marketingleuten der frei entscheidende Konsument. Diese Konstellation macht klar, warum man bei einer Kritik des "frei entscheidenden Subjekts" ansetzen sollte: Rössler redet sonst witzigerweise Neoliberalen das Wort (wie es Karsten Weber von mir behauptet hat). Um einmal historisch zu argumentieren: Die Aktivisten der 60er Jahre sind ebenso gescheitert mit diesem aufklärerischen Menschenbild wie die traditionelle marxistische Linke (Stichwort Revolution). Die philosophische, radikal-demokratische Tradition, die sich aus diesem Scheitern entwickelt hat, ist offenbar an den Privacy-Rednern vorbeigegangen: Butler, Laclau, Zizek, und so weiter. Die nicht-normative Theorie bzw. die "Philosophie der letzten 30 Jahre", die die Autonomie des Sujekts zuallererst in Frage stellt, scheitert nicht wie alle normativen Ansätze à la Rössler (Kant, Adorno, Habermas) am Eingangs zitierten Punkt "Warum macht niemand mit?" Um schließlich noch einen Antagonismus mitzuliefern (Auswege gibt es nicht, der Mensch wacht nicht auf weil er 'aufgeklärt' wurde): Genau im Spannungsfeld, deren negative Ausprägung Levins Konzept der "Happyveillance" darstellt, bewegt sich die Künstlergruppe Etoy. Inke Arns hat mir recht gegeben, Etoys Aktivismus (und auch die Privacy-Card) als buntes, aber dennoch ethisch und politisch bedeutungsvolles Play zu bezeichnen. Etoy kommen aber eben nicht normativ daher (vgl. mein Paper zu Etoy auf ww.netzwissenschaft.de). Wirkungsvoller als Datenschutzreden war ihr Toywar aber allemal... kann mir das jemand mal normativ erklären? -H -- http://www.8ung.at/h.ziegler ________________________________________ Zeitschriftenabos online bestellen - jetzt neu im Infoboten! http://www.epost.de ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/