Krystian Woznicki on Wed, 26 Jun 2002 15:32:09 +0200 (CEST)


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[rohrpost] Fwd:Die Kraft der Negation, 29./30.6., Koeln/BLN


Köln/ Berlin
Theater der Welt und Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

Die Kraft der Negation
Thematisches Wochenende

Kuratiert von Diedrich Diederichsen

29.6. + 30.6.2002, Berlin, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

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Programm (Stand: 24.6.02, Änderungen vorbehalten)


Samstag, 29. Juni 2002

Großes Haus

20:00 Begrüßung und Einführung
Carl Hegemann

20:30 De Rijke / De Rooij: "Bantar Gebang", NL 2000, 35 mm, OF,10 min.

21:00 René Pollesch: "They Live! NOT", Sprechtext, mit Astrid Meyerfeldt

21:30 Stephen Prina: "Vinyl II", USA 2000, 16 mm, OF, 21 min.

22:00 "Negative Ästhetik gegen Ästhetik der Zerstörung"
Vortrag von Stephen Prina

22:30 Diskussion mit Stephen Prina, Holger Schulze, Mercedes Bunz, Clemens 
Krümmel und Christoph Gurk

24:00 Black Dice, Konzert

Roter Salon

"Die lange Nacht des negativen Films"

20:00 Robert Aldrich: "Kiss Me Deadly", USA  1955, 35 mm, OF, 105 min.
22:00 Kaneto Shindo: "Onibaba (Die Töterinnen) ", JP 1965, 35 mm, DF, 100 min.
24:00 Danielle Huillet / Jean-Marie Straub: "Nicht versöhnt", BRD 1965, 16 
mm, OF, 55 min.
01:00 Robert Bresson: "Le diable probablement (Der Teufel, 
möglicherweise)", F 1976, 35 mm, OmU, 96 min.
03:00 George A. Romero: "Night Of The Living Dead", USA 1968, 16 mm., OF, 
96 min.

Sternfoyer

22:00 Shitkatapult-Foyer im Stern mit dem Kyborg-DJ-System

Garderobe im Sternfoyer

ab 20:00 Theodor W. Adorno und das nihil relativum ? eine Videoinstallation


Sonntag, 30. Juni 2002

Großes Haus

17:00 Bernadette Corporation: "Get rid of yourself"
Ein Kommuniqué über Bürgerkriegsmode an die verlorene Jugend des Empire

18:15 Stephan Geene / Judith Hopf: "Low Dunkel"
Eine Inszenierung von filmischen und anderen Elementen über Gewalt, Nein 
und Zwischenformen des Lebendigen

19:30 Filme von Bas Jan Ader
"Fall 1, Los Angeles", 1970, "Fall 2", Amsterdam, 1970, "Broken Fall 
(Geometric), Westkapelle, Holland", 1971, "Broken Fall (Organic), 
Amsterdamse Bos, Holland", 1971,  "I'm too sad to tell you", 1971und 
"Nightfall", 1971, alle 16 mm

20:00 "Position und Negation"
Vorträge von Diedrich Diederichsen und Mark Siemons

21:30 Diskussion mit Diedrich Diederichsen, Mark Siemons, Rahel Jäggi, 
Carolin Emcke und Andreas Fanizadeh

23:00 Zeitkratzer spielen negative Musik von Throbbing Gristle, Helmut 
Lachenmann, Terre Thaemlitz und Lou Reed (»Metal Machine Music«)

Sternfoyer

ab 17:00 Lounge und Bücherstände

Garderobe im Sternfoyer

ab 17:00 Videoprogramm

Rolle 1:

Angela Melitopoulos "Passing Drama", 1998, Video, 66 min.; Bojan Sarcevic 
"Remise",1997, Video, 2,3 min.; Gintaras Makarevicius "Das Grab", 2000, 
Video, 45 min.

Rolle 2:

Stephan Geene "No logo tv", 3 min.; Eva von Platen "Luxus", 1995, 16 mm, 25 
min.; Judith Hopf "Hey Produktion", 2001, Video, 7 min., "Bartleby", 1999, 
Video, 21 min., "Lebendes Geld", 1996, Video, 12 min.

An beiden Tagen im gesamten Haus

Sämtliche Auslandseinsätze der USA seit dem Golfkrieg: "Intervention" ? 
eine Zeit-Installation von Ekkehard Ehlers, Nikolaus Hirsch, Michel Müller 
und Markus Weisbeck

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Die Kraft der Negation

Thematisches Wochenende

Kurator: Diedrich Diederichsen

Nicht nur vor jeder Politisierung steht eine Negation. Ich will so nicht 
leben. Es muß eine Negation sein, denn sie lehnt das Gegebene zunächst ja 
ab, ohne etwas Anderes zu kennen. An dieser Stelle ist auch noch nicht 
unterscheidbar, ob die Negation eine Option auf das Unbekannte darstellt 
oder die bestimmte Ablehnung des Vorgefundenen und sozusagen negativ auf 
dieses fixiert bleibt. Risiko und Potenzial versus Widerstand und Genörgel, 
Unternehmer, Revolutionär und Bürokrat - eng beieinander. Sehr viel später 
wollen dann einige, mal mehr, mal wenige auch nicht alleine so nicht leben, 
dann beginnt die Politisierung tatsächlich, aber das ist wie gesagt viel 
später.

            Heute scheint es jedenfalls manchmal so, als ob wir nach der 
Politisierung leben und von ihr nichts mehr übrig geblieben ist als die 
Negation - jener ebenso unzuverlässige wie vielversprechende Akt, an den 
sich auch Imperien gerne als Geburtsstunde erinnern und den Spielfilme zu 
verklären lieben. Zumindest gilt dies für die sichtbarsten Formen von 
oppositioneller Politik. Deren letzte Gewißheit scheint das Nein zu sein, 
ein Nein, das vom Nein zum Logo bis zum Nein zu Deutschland reicht und auf 
Bewegungen verweisen kann, die in erster Linie als Gegner von etwas 
definiert werden oder sich selber definieren. Der Grund, auf dem man steht, 
die Werte und Ziele, von denen aus man operiert, scheinen keine Rolle mehr 
zu spielen, entscheidend ist nur noch, daß man überhaupt Gegnerschaft 
artikuliert.

            Nun ist dieses "thematische Wochenende" eine der Gelegenheiten, 
an denen man sich vornimmt Kunst und Politik einander begegnen zu lassen. 
Und natürlich liegt heutzutage auf solchen Unternehmen auch immer der 
Schatten des Problems, daß sie dies offensichtlich nicht von alleine tun. 
Implizit sind bei der Planung solcher Begegnungen natürlich auch alle 
möglichen ungeklärten Vorstellungen davon intakt, was Kunst und Politik für 
sich genommen seien, die man unter anderen Umständen lieber nicht vertreten 
würde. Andererseits hat auch die Denkfigur viel Unheil angerichtet, die aus 
der Unzufriedenheit über die traditionellen "bürgerlichen" Begriffe von 
Kunst und Politik, in undialektischer Umkehrung einfach meinte, mit Gewalt 
beide in eins setzen zu können - als Modell einer politischen Kunst ebenso 
problematisch und folgenreich wie als Modell eines künstlerisch-politischen 
situationisischen Lebens.

            Ich erwähne aber diese zugrundeliegende Idee (oder auch 
Konvention) einer Konfrontation der Pole Kunst und Politik, weil gerade 
deren Binarismus viel über den Zustand der Negation verrät. Die Negation 
war früher - und mit früher ist das vergangene Jahrhundert und seine 
Avantgarden gemeint - die zentrale transgressive Geste der Kunst, ihre 
präferierte Passage in die Politik oder in andere vermeintlich oder 
tatsächlich wesentlichere und existenziellere Regionen, auf die sie in 
traditionelleren Versionen nur zu zeigen verdammt war. Dabei brachte die 
Kunst einen Vorteil mit: sie war attraktiver als reine, nur entschieden 
oppositionelle Politik, gerade weil sie sich nicht auf Werte und Konsense, 
auf taktische und strategische Absprachen und Vernunftgründe beziehen und 
demzufolge beschränken mußte. Die Negationsgeste aus der Kunst überschritt 
idealiter nicht nur die Kunst zur Wirklichkeit der Politik hin, sondern 
machte auch politisch artikulierbar, was die richtige Politik, auch die 
radikale mit Rücksicht auf den Zusammenhalt der Partei oder der Gruppe, mit 
Rücksicht auf Phasen und Perioden des in den Blick genommenen historischen 
Auftrag und aus anderen Gründen nicht sagen konnte. Das war der große 
Vorteil der Negation aus der Kunst für die Politik. Ihr Nachteil steckt 
sicher in Tony Conrads Bemerkung, daß jede große Transgression einen 
progressiven und einen faschistischen Weg eröffnen könne.

            Für die Kunst selbst ermöglichte die Negation dennoch die oft 
stabile Grundlage führender und zentraler Kunstphilosophien. Dabei kann man 
sicher unterscheiden:

            ? zwischen einerseits der letzten Wahrheit der Kunst in der 
Negation, wie sie die kritische Theorie formulierte. Nur einer um den Preis 
des Elitären in einer formalen Strenge sich entfaltenden Kunst wird eine 
solche Möglichkeit zugestanden, wenn sie in rigoroser Verneinung 
jeder  *Anschlußfähigkeit" und anderer Instrumentalisierungen ihren eigenen 
nicht gesellschaftsfähigen Gesetzen folgt:"bestimmte Negation (s)eines 
Inhalts wird zum Formprinzip und zur Negation von Inhalt überhaupt".

            ? und andererseits der aggressiv-destruktiven Negation der 
Kunst in manchen Avantgardemodellen, aber auch in der Rock-Kultur, von den 
MC 5 über Punk und Industrial bis zu Phänomenen wie Merzbow und der 
japanischen Noise-Kultur andererseits. In diesem Modell kommen die 
Potenziale einer massenhaft mobilisierten Negation kulturindustrieller 
Versöhnungsvorschläge mit eher an futuristisch-faschistsiche Entfesselungen 
erinnernde Energien zusammen. Beide Modelle haben Traditionen gebildet und 
sind nach wie vor hier und dort im Einsatz und werden weiterhin womöglich 
gar produktiv modifiziert.

            Dennoch scheint es heute so, daß gerade was jetzt als avanciert 
gilt, sich nicht mehr an den beiden Modellen abarbeitet, weder am 
destruktiven noch am negativen im kritischen Sinne. Ob aus Desillusion oder 
Gedächtnisverlust, Kunst hat heute mehrheitlich keine Probleme mehr damit, 
wieder zu erbauen und zu dekorieren - und wenn dies im traditionell 
kritischen Modus der Selbstreflexivität geschieht. Wieder sieht man aber 
auch, wie zuletzt vor vierzig, fünfzig Jahren überall die vor allem stillen 
oder lakonischen jungen Männer, die den Künsten und der Kultur bei diesen 
Tätigkeiten zuschauen und ratlos die Mantelkragen hochschlagen und nach 
existenzielleren Alternativen suchen. Eine Retrospektive des Films der 60er 
Jahre auf der letzten Berlinale zeigte genau dieselben sprachlosen Jungs, 
die der allerneuste Film und das Fernsehspiel produziert: prä- und 
bestenfalls proto-politische Resignation, Negation. Wenig Frauen treten 
auf, wenige der politischen Realitäten zugewandte Aggression geben sich zu 
erkennen, es herrscht eher die dumpf ruhige Unzufriedenheit vor dem Sturm 
oder unter der Oberfläche der spektakulären Ströme der Ereignisse.

            Nur zu oft sucht sich diese Gemenegelage als Maß ihrer Unruhe 
wie als historisches Material die RAF. Filme so unterschiedlicher Qualität 
wie "Black Box BRD", "Die innere Sicherheit" oder "Baader", diverse 
Theaterstücke, Songtexte und Projekte der Bildenden Kunst arbeiten sich 
weiter an der RAF und immer öfter an der zusehends existenzialistischer 
gestellten Frage ab, wo wäre ich damals gewesen, wo wäre für mich ein Platz 
in einer Politik, die wirklich radikal war. Dieser Fluchtpunkt liegt im 
Fokus einer doppelten Verkennung, die durchaus an die andere 
*Vergangeheitsbewältigung" der Deutschen erinnert. Sie ist nicht nur 
deswegen so oft schief, weil sie eine lokale Episode der neuen Linken in 
einer ähnlichen Tonlage bearbeitet wie sie in der deutschen 
Nachkriegsgeschichte für die Beschäftigung mit der deutschen Schuld an 
jener Zäsur der Menschheitsgeschichte sich herausgebildet hat, die die 
ganze Welt mit den deutschen Verbrechen zwischen 33 und 45 verbindet. Diese 
Projektion abwesender politischer Orientierungen, überblendet mit 
zeitgenössischen existenziellen Nöten, auf ein der Geschichte der RAF 
abgelauschtes Script, in dem individuelle Entscheidungen und von Innen her 
gewählte Wege als politisch ausgegeben werden, wirft einen Mantel 
romantischen Heroismus über die ungeklärte Unlust an einer politischen 
Selbstlokalisierung heutiger Radikalität. Der Schatten der RAF als - je und 
je - andere Seite der deutschen Nazi-Vergangenheit wie heutiger sogenannter 
Politik-Verdrossenheit verengt die Reflexion aktueller Politik auf große 
wichtige und tragische Gesten mit dem Risiko von Schuld und heroischen 
Scheitern, die so unangemessen wie irreführend ist.

            Gleichwohl ist dem Problem nicht dadurch beizukommen, daß man 
sich über es lustig macht. Ein Zugang zu Politik jenseits von Verwaltung 
dessen, was nach Maß eben der Verwaltenden und Profiteure praktikabel sei, 
bedarf vielleicht grundsätzlich eines affektiven Zugangs. Wo dieser sich 
nicht - wie zuweilen in den 90er gehofft - aus minderheitenpolitischen 
Issues ergeben konnte, blieb die große Negation das schöne Modell, das 
nicht mehr zur Hand war. Oder war es das doch? Man wußte schließlich daß 
die Gegenkulturen der 60er bis in die 80er, also politische 
Zusammenhänge,die um vieles größer und reicher waren als es die 
Tunnelblickfixierung auf die RAF erscheinen läßt, sich in dem Moment auf 
eine bis zu einem gewissen Grade (und für ihre politische Seite notwendige) 
vereinheitlichende Negation der Verhältnisse einigen konnte, als Krieg 
geführt wurde - als in Vietnam (und dann über die Konstruktion des 
Imperialismus vermittelt: in der ganzen Welt) von ihren Regierungen, ihren 
Kulturen und ihren Vätern Krieg geführt wurde. (Hier ist nicht Platz, auf 
die Besonderheiten der deutschen Gegenkulturellen eingehen zu wollen, die 
erst diesen Krieg brauchten, um sich auf den Krieg zu beziehen, den ihre 
eigenen Väter zwanzig Jahre früher geführt haben.)

            Heute wundert man sich immer wieder, daß die letzten Kriege der 
Neuen Welt Ordnung entsprechende Empörungen und Negationen nicht 
herbeimobilisiert haben: es war nicht so leicht, diese Kriege zu 
kritisieren. Sie folgten keinem bekannten Modell und verlangten die 
spezifische Auseinandersetzung. Natürlich war es möglich, sie pazifistisch 
begründet abzulehnen. Oder man konnte sie politisch kritisieren, indem man 
sozusagen die offiziellen Kriegsziele mehr oder weniger anerkannte und den 
Kriegen absprach, geeignete Mittel zum Erreichen dieser Ziele zu sein, sei 
es moralisch ungeeignet, sei es pragmatisch ungeeignet. Unmöglich war und 
ist es aber, über diese Kritik hinausgehend den archimedischen Punkt jeder 
negativen Mobilisierung zu erreichen, den aber doch fast die Hälfte der 
Vietnamkriegsgegner in de 60ern und 70ern einnehmen konnten: das 
Sympathisieren mit der Gegenseite. Ho Ho Ho Tschi Minh.

            Es scheint, daß die große Negation heutzutage nur zu haben ist, 
wenn man sich auf die ganz andere Seite stellt, jenseits der Binarität, 
auch der gerade neu wiederaufgebauten zwischen Abendland und Orient, auf 
die Seite jenseits des Systems - aber nicht mehr von einem anderen Ort aus, 
nicht mehr von irgendeiner benennbaren politisch-philosophischen Idee aus, 
sondern in dem reinen Wünschen, daß es ein Jenseits einer Ordnung gibt, die 
so rigide ist, daß alle großen Fragen im Sinne eines globalen Kapitalismus 
entschieden zu sein scheinen, und gleichzeitig so dereguliert, daß nichts 
gesichert und kein Recht garantiert ist, daß es ein solches Jenseits geben 
muß. Vielleicht als reines Potenzial.

            Das war in etwa der Stand von Genua, als die Idee für diese 
Veranstaltung entstand: Mein Fazit lautete damals ungefähr: es scheint 
nicht mehr möglich zu sein, politische Opposition im Namen von etwas zu 
denken. Sie scheint nur noch absolut und gerade im Zeitalter von Rot-Grün 
am Nadir der Realpolitik möglich. Gleichzeitig scheint die Kunst, die wir 
kennen, den transzendenten Ort der Radikalität, den sie solange beansprucht 
zugunsten von aufklärerischer und realpolitischer Projektarbeit aufgegeben 
zu haben. In gewissen Sinne haben beide Praktiken die Seite gewechselt. 
Früher hat die organisierte, aber auch die spontane oppositionelle Politik 
stets versucht, die Kunst an die Kandarre eines Sinns, eines posotiven 
Effekts zu nehmen, heute offerieren die Künste von alleine und ohne Not 
diese Effekte: sei es als Sinn- und Image-Dekoration kapitalistischer 
Projekte, sei es als sozialtechnisch engagierte, politisch anschlußfähige 
Oppositionskunst. Die oppositionelle Politik hingegen nährt sich von der 
absoluten Negation - sei es als unversöhnlicher Zorn wie im - nicht 
folgenlosen - Mythos des schwarzen Block, sei es als nur von den 
vorhandenen Erscheinungen bestimmte Organsisation der reinen Gegnerschaft.

            Natürlich könnte man sagen, daß es egal ist, welche Aktivität 
wir Kunst nennen und welche Politik, solange sie ihre spezifischen 
Funktionen erfüllen - aber dem ist nicht so, denn mit diesen Namen sind 
Ansprüche auf Geltungsbereiche verbunden, auf Modi von Ernsthaftigkeit und 
schlißelich - und damit wären wir wieder am Anfang - die existenziellen 
Fragestellungen, die auch dann, wenn man sie nicht als heroischen Kitsch 
faßt, im Zentrum jeder sogenannten Bewegung stehen und die die taz bei 
ihrem Kongreß auf die Frage brachte "Wie wollen Sie leben?". Es ist also 
nicht unwichtig, daß die Mobilisierung gegen das globale Kapital, sofern 
sie sich nicht auf die Traditionen einzelner und lokaler Issues beschränkt, 
auf die reine Negation eines alles umfassenden und durchdringenden Prinzip 
stützt, während die Kunst, die früher symbolisch alles und zwar sofort 
fordern konnte, pragmatisch geworden ist.

            Natürlich ist es auch nicht unwichtig und nicht nur ein Zeichen 
verwirrten Künstlerirrsinns, daß so viele Stimmen hilflos von der 
ästhetischen Dimension des 11.September sprechen wollten. Denn bevor der 
Terror in die Planungen der "falschen Gegner" des Imperiums eingeordnet und 
bald auch im Kalkül des Imperiums selbst eine nützliche Rolle zu spielen 
begann, war die reine mörderische negative Tat nicht anders verständlich 
als als Kunst: und dies zeigt, was reine ungegründete Negativität, eine 
Politik, die nur noch wie Kunst ist oder sich zumindest so benimmt, indem 
sie ihre Gründe nicht nennt, auch werden kann, zugespitzt beschrieben. In 
dieser *Kunst" steckt dann kein fortschrittlicher Kern mehr, nur noch ein 
faschistischer.

            Schließlich gibt es aber auch eine neue müde gewordene 
Verweigerung, die von der heutzutage von verschiedenen Seiten wieder 
entdeckten Figur des Verweigerers Bartleby aus der gleichnamigen Erzählung 
von Hermann Melville verkörpert wird. Sein berühmtes Credo "I prefer not 
to" steht einerseits für ein Nein zu den Angeboten dieser so ausgemachten 
Welt, andererseits verbittet sie sich auch die Zumutungen organisierter 
Politik und kollektiven Widerstands. Genau so eine genervte Müdigkeit stand 
jedoch auch am Anfang vieler historischer Politisierungsschübe. Rosa Parks, 
die mit ihrer Weigerung einen für Weiße reservierten Platz in einem Bus 
aufzugeben, die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung auslöste, war am 
Anfang auch einfach nur zu müde, um Folge zu leisten. She preferred not to 
und ein bescheidener Akt individueller Genervtheit gilt heute als 
heroischer Beginn eines politischen Aufbegehrens.

Diedrich Diederichsen

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Gäste des thematischen Wochenendes


„Der Buchstabe, der Akt des Schreibens, sie kennzeichnen, auf der 
Schreibtafel des himmlischen Schreibens, den Übergang von der Potenz zum 
Akt, der Verifizierung eines Kontigenten. Aber gerade deshalb kennzeichnet 
jeder Buchstabe auch die Nicht-Verifizierung von etwas, er ist, in diesem 
Sinn, immer toter Brief.“ (Giorgio Agamben in: „Bartleby oder die 
Kontingenz gefolgt von Die absolute Immanenz“, Merve Verlag Berlin, 1998, 
S. 69)

Bas Jan Aders 16mm Filme, zeigen ihn immer wieder beim Fallen: er fällt aus 
einem Baum, in eine Gracht oder einfach um. Nach den Gründen für seine 
Stürze befragt, antwortete er, die Schwerkraft würde ihn schlicht 
überwältigen. Seine slapstickhaften Inszenierungen vom Scheitern werden 
existentiell. Das in Aders konzeptionellen Arbeiten vorhandene Ideal der 
Abstraktion und die darin enthaltene Sehnsucht nach Transzendenz weist er 
als unerreichbar aus. Seit seinem Versuch, 1975 mit einem Segelboot den 
Atlantik zu überqueren, ist Bas Jan Ader verschollen.

Bernadette Corporation operiert als fiktives Unternehmen seit 1995 
innerhalb des entsubjektivierenden Systems kultureller Vermarktung. Bei der 
Produktion ihrer Mode, Videos und der Zeitschrift „Made in USA" haben sie 
die Position des individuellen Künstlers  ebenso aufgegeben, wie eine 
Kritik, die es auf eine doch nie zu erreichende Abgrenzung von 
Marktprozessen und politischen Systemen anlegt. In Köln und Berlin werden 
Bernadette Corporation ihren neuen Film „Get Rid of Yourself“ (mit Chloë 
Sevigny, Giorgio Agamben und Wertner von Delmont) präsentieren, den sie bei 
den Anti-Globalisierungsprotesten in Genua gedreht haben und der den 
radikalen Protest zum Lifestyle erheben. In ihrem Film geht es „um das 
Potential einer auf die radikale Ablehnung politischer Identität 
basierenden Gemeinschaft [...], und um einen neuen Horizont, an dem sich 
Ästhetik und Politik wiederfinden“.

Black Dice spielt Noise und negative Musik. Die Gruppe lebt und arbeitet 
seit ein par Jahren in New York und hat sich sowohl in der Kunstwelt wie in 
der Hardcore-Szene einen Namen gemacht. Ihre Konzerte können so kurz wie 
melancholisch und so lang wie schmerzhaft sein. Sie umarmen den Boden in 
einer Geste negativer Lebensfreude.

Mercedes Bunz lebt in Berlin, ist Herausgeberin von de:Bug - Zeitschrift 
für elektronische Lebensaspekte, liebt schrecklich repetitive Musik, glaubt 
daran, dass nicht die Differenz den Gegensatz voraussetzt, sondern der 
Gegensatz die Differenz und promoviert deshalb zu Dekonstruktion und 
Medientheorie vor dem Hintergrund des Internet an der Bauhaus-Universität 
Weimar bei Joseph Vogl.

Diedrich Diederichsen war in den 80er Jahren Redakteur von 
Musikzeitschriften in Hamburg und Köln, in den 90ern Hochschullehrer in 
Offenbach, München, Weimar, Gießen, Bremen, Wien, Pasadena und Stuttgart. 
Er lebt in Berlin und schreibt u.a. für den »Tagesspiegel«, die 
»tageszeitung«, »Texte zur Kunst«, »Theater heute« und andere 
Publikationen, die mit T anfangen.

Ehlers/ Hirsch/ Müller/ Weisbeck, eine Gruppe, bestehend aus dem Musiker 
Ekkehard Ehlers, den Architekten Nikolaus Hirsch und Michel Müller sowie 
dem Grafikdesigner Markus Weisbeck, erforscht akustische, räumliche und 
grafische Notationssysteme (u.a. »Mäander« für Frequenzen/ Schirn 
Kunsthalle Frankfurt). Für die »Kraft der Negation« wird eine »Intervention 
entwickelt, die zwei unterschiedliche Handlungsstrukturen aufeinander 
bezieht. Das in Echzeit ablaufende Programm der Veranstaltung trifft auf 
die Abfolge aller militärischer Interventionen der USA im Zeitraum von 1990 
bis 2000. Durch die Gegenüberstellung der zeitlichen Strukturen entsteht 
eine Matrix, die im Foyer des Theaters als Display sichtbar wird und mit 
akustischen und optischen Interventionen in das Programm der Veranstaltung 
eingreift.

Carolin Emcke lebt und arbeitet in Berlin. Sie ist politische Theoretikerin 
und Journalistin, hat über kollektive Identitäten und kulturelle Rechte
gearbeitet und publiziert, und schreibt derzeit vor allem über 
Menschenrechtsverletzungen und die Folgen des "Kampfs gegen den Terror" in
Pakistan, Afghanistan und Kashmir.

Andreas Fanizadeh, Journalist und Verleger. Hat in den 90ern die 
Zeitschrift "Die Beute" und den ID Verlag betrieben. Mitarbeiter von die
Wochenzeitung "WoZ" in Zürich und der "Subtropen" in Berlin. Kuratiert im 
März 2003 die Ausstellung "Alltag und Vergessen. Argentinien
1976/2003" in der NGbK, Berlin.

Stephan Geene und Judith Hopf. low dunkel. eine inszenierung von filmischen 
+ anderen elementen über gewalt, nein + zwischenformen des lebendigen 
featuring: no logo tv, BEI MIR ZU DIR, bartleby selbst wenn ich erst um 
20uhr abends das sehe, was um 6 uhr morgens aufgenommen wurde, das also um 
sechs uhr morgens ungefähr 30 junge männer in einer reihe stehen, in so 
militärischen outfits.. und alle haben eine freundin und von diesen 
freundinnen werden sie geküsst, dann ist das immer noch live, weil die 
bilder, die ich da sehe, die sind echt und so haben die da geküsst und so 
wurde das zu mir übertragen, halt nur später aber das ist live aber jetzt 
schalte ich um, weil das nur so ein beispiel sein sollte für live-seine, 
aber live küssen ist immer irgendwie peinlich und das sagen, was live ist, 
ist auch peinlich…< als ich sah, dass er sein NEIN soweit vermittelt hatte, 
dass es auch für ihn kaum noch vorfindbar war, dachte ich, ich red mal mit 
ihm…<

Christoph Gurk ist Kurator, Übersetzer und Kritiker. In den Neunzigern war 
er Chefredakteur der Zeitschrift »Spex«. Zur Zeit lebt er in Berlin, wo er 
unter anderem für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz das Musikprogramm 
gestaltet.

Gintaras Makarevicius Video „The Pit“ (2000) begleitet eine Familie von 
Totengräbern ? Vater, Sohn und zwei Enkel über die Jahreszeiten bei der 
Ausübung ihres Berufs, dem Ausschaufeln von Gräbern. Durch den 
verschwenderischen Umgang mit der Zeit untergräbt Makarevicius seinen Bezug 
zu sowjetrussischen Dokumentar und Propagandafilmen. Makarevicius lebt und 
arbeitet in Vilnius, Litauen .

Rahel Jaeggi hat in Berlin Philosophie studiert und war von 1996-2001 
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Philosophischen Institut der
Goethe-Universität und am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am 
Main. Arbeitsschwerpunkte: Sozialphilosophie und politische Philosophie. 
Promotion zum Thema "Entfremdung"("Freiheit und Indifferenz - Versuch 
einer  Rekonstruktion des Entfremdungsbegriffs" - wird zur Zeit, 
unterstützt von einem Stipendium der Stiftung für Wissenschaft und Kultur 
am Hamburger
Institut für Sozialforschung, für die Veröffentlichung überarbeitet.)

Clemens Krümmel hat Kunstgeschichte an der  Universität Bonn studiert, hat 
als Volontär und Ausstellungskurator am  Hagener Karl Ernst Osthaus-Museum 
gearbeitet und ist seit 2000 Redakteur der  Berliner Zeitschrift "Texte zur 
Kunst".

Angela Melitopoulos erzählt in dem Video "Passing Drama" (1999) Geschichten 
von griechischen Flüchtlingen im 20. Jahrhundert. Von den mündlichen 
Überlieferungen ihrer Familie ausgehend, verweben sich die Bilder erst 
allmählich zu einer Erzählung über die Vertreibung ihrer Familie aus 
Kleinasien (1923) und den Fluchtversuchen ihres Vaters aus der Zwangsarbeit 
in Österreich (1942). Die Flucht als Motiv der Erzählung wird in Passing 
Drama zu einem filmischen Thema über Erzählung und Gedächtnis selbst. 
Angela Melitopoulos ist Videokünstlerin und lebt in Köln und Paris. Sie ist 
Mitgründerin der Mediengruppe Canal Déchainé in Paris (in Zusammenarbeit 
mit Maurizio Lazzarato, Felix Guattari, Antonio Negri u.a.).

Eva von Platen sagt über ihre eigenen Filme, daß „sie von Absurditäten, 
Banalitäten und Brutalitäten des Alltags handeln“. Man könnte sie als 
surreal anmutende Karikaturen einer postfordistischen, linksliberalen 
Alltagskultur bezeichnen. Auf eigensinnige Art und Weise inszeniert sie das 
scheinbare Nebensächliche und skurrile Widersprüchlichkeiten. Ihr Film 
“Luxus“, der eine gewisse Sommerloch Atmosphäre verbreitet, fragt in vier 
Episoden nach dem, was man sich leisten kann, was man sich leisten sollte 
und was man sich nicht leisten muß. Eva von Platen ist Zeichnerin und 
Filmemacherin, sie lebt und arbeitet in Köln.

Stephen Prina arbeitet als Künstler und Musiker mit einem komplexen 
Referenzsystem aus Filmen, Literatur, Werken Bildender Kunst und Musik von 
Klassik bis Pop. Prina interessiert sich für strenge und immanente Künstler 
und deren Systeme - sei es in negativer oder in autonomer Hinsicht. Seine 
Bearbeitungen und Bezugnahmen auf die Arbeit von Straub/Huillet, Bresson, 
Schönberg, Steely Dan, Broodthaers, Adorno und Böll folgen aber eigenen, 
aus ausgeklügelten Unwiderlegbarkeiten und Zufällen zusammengesetzten 
Systemen. Prina hat für seinen Film „Vinyl 2" auch eine Musik komponiert 
und eingespielt, die vom Barock über den minimalistischen Drone zu einem 
Pop-Song führt. Er lebt in Los Angeles und unterrichtet am Art Center 
College of Design in Pasadena.

De Rijke/ De Rooij werden im Rahmen von „Die Kraft der Negation“ ihren Film 
„Bantar Gebang“, 2000 zeigen. Die beiden Künstler aus Amsterdam sind 
bekannt für die restriktiven Bedingungen, unter denen ihre Arbeiten zu 
betrachten sind nämlich von Anfang bis zum Ende. Der 35mm Film konfrontiert 
den Betrachter mit dem Bild des Sonnenaufgangs über einem Slum in Indien. 
In offensichtlichem Bezug zur holländischen Landschaftsmalerei ist das Bild 
des Slums zwar von einer versichernden Schönheit, die sich im Kopf des 
Betrachters aber mit unangenehmen Gedanken an Postkolonialismus und 
Massentourismus verbindet und ihm die Sicherheit nimmt. Mit ihren 
Filmarbeiten erteilen Jeroen de Rijke und Willem de Rooij der alltäglichen 
Rezeptionsbeschleunigung eine Absage.

Bojan Sarcevics Videos und Installationen drehen sich um das Moment der 
Deplatzierung. In seinem Video „Remise", 1997 schlagen sich zwei junge 
Männer am Rande eines Schwimmwettkampfs in offensichtlicher Mißachtung des 
Ortes. Der Rhythmus der Schwimmer verwandelt den impulsiven Zweikampf 
allerdings in ein autistisches Unterfangen. Bojan Sarcevic lebt und 
arbeitet in Paris.

Holger Schulze hat für die UdK Berlin die Veranstaltungsreihe »soundXchange 
- Werkstatt für Klang und Gestaltung« konzipiert. Seit 1998 arbeitet er an 
einer Habilitation zur Heuristik von Projekten zwischen Pop, Kunst und 
freier Wirtschaft. Er ist Geschäftsführer der Berliner Gesellschaft für 
Neue Musik und schreibt u.a. für de:Bug, Tages-Anzeiger Zürich, Du, 
Positionen. 
<http://mediumflow.editthispage.com>http://mediumflow.editthispage.<http://mediumflow.editthispage.com>com 


Brigitte Weingart, Literaturwissenschaftlerin, arbeitet derzeit am 
Kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg Medien und kulturelle 
Kommunikation der Universität Köln zum Verhältnis von Text und Bild. 
Demnächst erscheint ihr Buch „Ansteckende Wörter. Repräsentationen von 
AIDS“, Suhrkamp 2002.

Zeitkratzer sind ein Ensemble aus Streichern, Bläsern und anderen 
„konventionellen“ und zum Teil sehr namhaften Instrumentalisten, die fast 
alles mit diesem Instrumentarium spielen: von neuer Musik bis House, von 
Kompositionen aus dem Umfeld improvisierter Musik bis zu Feedback-Orgien. 
Für die Kraft der Negation haben sie ein Programm zusammengestellt, das den 
Begriff der Negation in der Musik an den verschiedensten historischen und 
konzeptuellen Orten aufsucht, bei der Musica Negativa in der neuen Musik, 
wie sie einst Helmut Lachenmann zugeschrieben wurde, bei stiller Musik, bei 
brachialem Death Metal, den Feedback-Orgien, die Lou Reed einst dem 
Amphetamin widmete und bei gruseliger Industrial-Musique-Concrete von 
Throbbing Gristle, die die Leiden von Krankenhausopfern an analoge 
Synthesizer anzuschließen versuchte.

   

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