das ende der nahrungskette on Thu, 17 Jul 2003 10:20:15 +0200 (CEST)


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[rohrpost] "[brand] city Neubau" << Freitag, 18. Juli 2003, 20:30 /monochrom-Raum / MQ.


„[brand] city Neubau”

Freitag, 18. Juli 2003, 20:30.
monochrom-Raum / Quartier 21 / MQ Wien ( (Lageplan:
http://quartier21.mqw.at/uebersichtsplan/index.html )

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„[brand] city Neubau”

Ein Joint Venture führender Markenartikelhersteller kauft ein Areal in
Wien-Neubau, um dort eine utopische Stadt zu errichten, eine Wahrwerdung
feinster Visionen von sozialer Gerechtigkeit, Friede, Gesundheit, Solidarität
in einem geschützten Raum von freier Kunst und Biodiversität: [brand] city
Neubau. Bitte wie? Wie es dazu kommen konnte und vor allem, warum es dazu
kommen musste, wird deutlich, wenn man sich die Dilemmata der betroffenen
Kompetenzfelder vergegenwärtigt.

Nichts veranschaulicht den beklagenswerten Zustand der Architektur treffender
als der sagenhafte Triumph des Fassadenmalers Friedensreich Hundertwasser, der
der Oberfläche der Oberflächlichkeit so manch neckische Verzierung zu
applizieren vermag. Die Architektur hat es aber auch nicht besser verdient: in
der Ausweglosigkeit ihres selbstreferenziellen Gejammers über den Stellenwert
von Dachgauben in der Post-Post-Moderne sucht sie Existenzberechtigung
ausgerechnet in der Formgebung von Fußballarenen. 

Dem Endkundenmarketing in der Königsdisziplin „Markenartikel als Konsumgüter“
geht es nicht besser: allem Anschein zum trotz hat sie längst die Kontrolle
verloren über ihre Domäne der nachhaltigen Wertstiftung. Wie angeschossene
Hühner hecheln ihre Protagonisten Mikrotrends wie Luderlobby und Wegwerfauto
hinterher, während ihnen im epidemischen Schnäppchenfieber die Big-No-Names
auf
unverschämt leisen Sohlen die Volkseinkommen wegraffen.

Und hatten früher Städteplaner und Marketer als Regulativ die Soziologie
heranziehen können, so ist deren Output allerspätestens seit der
Selbstzersetzung der Basisdemokratie zu einem kümmerlichen Fragezeichen
zusammengeschmurgelt.

Nun, wie so oft kommt der Befreiungsschlag, der große Schritt nach vorne mal
wieder vom Kapital. Auf den ersten Blick mag das ernüchtern, aber sich der
historischen Chance zu verschließen wäre sicher nicht weniger fatal, als noch
ein mal einer Totgeburt aus den Abgründen unreflektierter Schwärmerei
hinzugeben: dieses Pulver, Genossen, ist verschossen!

Die [brand] city conference, eingangs erwähntes Joint Venture, deren
Mitglieder
im übrigen bis auf weiteres ungenannt zu bleiben vorziehen, hat Tommy Schmidt,
einen Performance Künstler mit gegenwärtigem Sitz in München gebeten ihr
bemerkenswert ausdekliniertes Konzept von einer lebenswerteren Welt,
entstanden
in engstem Austausch mit führenden(!) Soziologen, Städteplanern, Architekten
und Marketingexperten, vor- und zur Diskussion zu stellen. Das dürfte kein
Zufall sein, denn Tommy Schmidt (das Foto zeigt ihn bei einem vielbeachteten
Vortrag über Generationenkonflikt-Management) ist auch als
Kommunikationsexperte für Markenführungsstrategien in einschlägigen Zirkeln
gelegentlich in Erscheinung getreten und immerhin geht es hier um etwas,
was er
Pro-Active-Marketing nennt: folge nicht einem Trend, sondern erschaffe einen
Lifestyle, „high value based“ versteht sich. 

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Am Freitag, den 18. Juli um 20:30 im monochrom-Raum / Quartier 21 / MQ.  
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