das ende der nahrungskette on Sat, 26 Jul 2003 13:30:52 +0200 (CEST)


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[rohrpost] monochroms bedrohliches Flimmerwochenende /"Poltergeist" / 27. Juli 2003, 21:00 / monochrom-Raum.


POLTERGEIST

Ein bedrohliches Flimmerwochenende
monochrom-Raum im MQ, 27. Juli 2003, 21:00 (
http://quartier21.mqw.at/uebersichtsplan/index.html )

im Rahmen der Projektion ( http://www.monochrom.at/projektion/ )

Mit einem Votrag von Johannes Grenzfurthner.

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"Poltergeist" kam 1982, zwei Wochen vor "E.T." in die amerikanischen Kinos.
Tobe Hooper ("Texas Chainsaw Massacre") führte Regie. Neben seiner Regiearbeit
war Steven Spielberg auch sehr erfolgreich als Produzent tätig. In dieser
Eigenschaft betreute er unter anderem auch "Poltergeist". Seine Handschrift
ist
unverkennbar, wenngleich Spielberg wohl echt eine kleine
sozialkommentatorische
Identitätskrise hinter sich hatte.

"Poltergeist" beschreibt, so würde ich das mal kurz ausdrücken, den Einbruch
der Geschichte und der postindustriellen Welt in das Leben einer
durchschnittlichen amerikanischen Familie. Diese steckt mittendrin in der
schönen Zeit des rechten 80er-Jahre-Backlash, einer großen Krise ist sie sich
aber nicht gewahr. Dass die Familie am Ende zwar traumatisiert, aber durchaus
intakt aus diesen Einbruchsszenarien hervorgeht verdanken wir wohl aber doch
eher Spielberg als Hooper.
Und dass die Familie nicht in die Familientherapie geht sondern von Clowns,
Bäumen und schlammigen Kadaverpools gequält wird, wohl eher Hooper als
Spielberg.
Es ranken sich ja die Legenden, dass Spielberg und Hooper sich bei den
Dreharbeiten gegenseitig ziemlich das Leben schwer machten. Das sieht man dem
Film an, gottseidank.

Meine persönliche Interessensbeziehung zu "Poltergeist" begann 1983. Da wurde
er im Spätprogramm auf FS1 ausgestrahlt und ich sah ihn mir - während meine
werten Eltern draußen mit Bekannten grillten - heimlich an. Und es war
schlimm.
Gut, ich war acht Jahre alt. Aber diese psychologische Watschn hatte
ordentlich
gesessen. Ich hatte wohl nie mehr so viel Angst. Ein typisches Kind der
(einzigen) mitteleuropäischen Fernsehgeneration halt.

Noch vor kurzer Zeit war in unseren Breitengraden ein 24-Stunden-Programm
etwas
Unbekanntes. Irgendwann kam, nach Talkshow, Spätfilm, Nachrichtensendung das
unumgängliche nächtliche Aus. Das Rauschen. Und ich erinnere mich noch aus
Kinderzeiten, dass das ein Moment erschreckender Stille und Klarheit war.
Nicht
umsonst setzte Hooper in "Poltergeist" genau dieses Rauschen als
grauenerregendes Stilelement ein. Nach der amerikanischen Bundeshymne ist
Sendeschluss, das Rauschen bricht an. Und aus diesem Rauschen kommen dann nach
nicht allzu langer Zeit die unirdischen Stimmen der Verfluchten.
Die Familie Freeling wohnt seit kurzem in ihrem neues Haus in der
Neubausiedlung. Eines Nachts nimmt die kleine Carol Anne durch das Rauschen im
Fernseher Kontakt mit irgendwem auf. Plötzlich bewegen sich Stühle, das findet
die Familie auch noch relativ lustig, auch wenn sie es sich nicht erklären
kann
...

Etwas unheimliches ist aufgetaucht in Suburbia.
Das Rauschen.
Die Immanenz.

"Poltergeist" ist ein verdammt intelligent gemachter Film. Die vielen kleinen
Andeutungen, vom Joint-rauchenden, eine Reagan-Biografie lesenden
Familienvater, über das esoterische Bla des Mediums, bis zur wunderbaren
Schlusseinstellung im Motel, werden einem wohl erst dann wirklich klar, wenn
man von den paar Spezialeffekten nicht mehr allzusehr zu blenden ist und wenn
die 80er Jahre auch schon 13 Jahre alt sind.

"Sie sind hier."
Und sie werden auch so schnell nicht wieder weggehen.  
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