evel on Fri, 10 Jan 1997 20:33:13 +0200


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nettime-nl: radikal-link verboten? (fwd)




---------- Forwarded message ----------
Date: Fri, 10 Jan 1997 15:55:52 +0100 (MET)
From: tank <tank@xs4all.nl>
To: tank <tank@xs4all.nl>
Subject: radikal-link verboten?

Contrast: praktiese regelzaken
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   Neu seit 09.01.1997 F¸r freie Kommunikation im Netz
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   Zur Anklage wegen eines Links auf die in der Bundesrepublik politisch
miþliebige Zeitschrift "radikal" erkl”rt Angela Marquardt, stellvertretende
                            Vorsitzende der PDS:
                                      
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                 Zensur im Internet - das Spiel geht weiter
                                      
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   Mit der Zustellung der Anklageschrift kurz vor Weihnachten 1996
   erreichen die Aktionen "konservativ korrektes Internet" ihren
   vorl”ufigen H–hepunkt. Es ist amtlich: F¸r einen Querverweis auf eine
   andere HTML-Seite im Internet wird mensch in der Bundesrepublik
   strafrechtlich verfolgt. Sorry! Ich werde strafrechtlich verfolgt.
   
   In meinem Fall handelt es sich um eine Web-Seite, auf der eine
   Erkl”rung von Personen des –ffentlichen Lebens steht. Diese habe ich
   seinerzeit ebenfalls im Orginal unterschrieben. Sie richtet sich gegen
   die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen im Umfeld der
   radikal-Redaktion 1995, die schlieþlich im Verbot quasi einer
   kompletten Ausgabe endeten. Am Ende jener Seite, nach einigen
   unmiþverst”ndlichen Worten von mir zum Thema Gewalt, gelangte mensch
   per Hyperlink auf eine Homepage in den Niederlanden, auf der einige
   (nicht verbotene) Ausz¸ge der radikal 153 zu lesen waren. Offenbar
   wurden dort zwischenzeitlich auch Texte aus der Ausgabe 154 der
   radikal abgelegt. Jedenfalls wird mir dies vorgeworfen.
   
   Nach der Sperrung von knapp 200 Newsgroups durch den Online-Dienst
   Compuserve im Herbst 1995 (auf zarten Hinweis der bayrischen
   Staatsanwaltschaft), der zwischenzeitlichen Kappung aller
   Internetverbindungen aus der Bundesrepublik zum niederl”ndischen
   Server xs4all.nl (sprich: Access for all! - Zugang f¸r alle!) und
   schlieþlich dem L–schen meiner HTML-Dateien (siehe auch meine
   Erkl”rung dazu) auf dem Ourworld-Server von Compuserve in den USA
   (beides nach ebenso gutgemeinten Hinweisen, hier aber von der
   Bundesanwaltschaft) soll es nun offenbar endlich ein Exempel f¸r den
   Umgang mit politisch nicht gewollter ÷ffentlichkeit geben. Dabei wird
   in der Anklageschrift ausdr¸cklich auf meine Funktion als
   stellvertretende Vorsitzende der PDS verwiesen. Hier geht es wohl kaum
   um Bombenbauanleitungen oder die detailgetreue Beschreibung von
   Bahnleitger”ten und ihren Schwachstellen. Derartigen Stoff finden
   jene, die es wirklich wollen, auf den Pentagon-Seiten oder den
   Newsgroups der HobbyeisenbahnerInnen und PyromanInnen. Hier geht es um
   eine saubere, zahnlose ÷ffentlichkeit. Um Wohnzimmeratmosph”re im
   Cyberspace. Das Netz soll Innenministertauglich werden. Was daf¸r in
   Amerika obsz–ne Bildchen sind, ist in Mitteleuropa offensichtlich die
   linke Szene. Ein Mittel zum Zweck.
   
   Doch auch allzu hartn”ckige Staatssch¸tzerInnen werden die alte
   Hackerweisheit schnell erlernen: Das Netz interpretiert Zensur als
   St–rfall und umgeht sie. Nicht die Baupl”ne amerikanischer
   Mittelstreckenraketen im Web sind das Problem. Sondern die reale
   Bedrohung, die von den echten Waffen ausgeht. Und nicht die
   Z¸ndelseite oder andere Nazi-Texte online machen Fremden in der
   Bundesrepublik das Leben zur H–lle. Die realen Faschos vorort machen
   das. Und so sind auch nicht die –ffentlichen Debatten ¸ber
   Alternativen zu einem abgewrackten politischen Modell im Internet
   Ursache f¸er Streiks, Demos oder eben die Behinderung von
   Bahntransporten aller Art, sondern die ganz konkrete Emprung und Angst
   von Leuten im wirklichen Leben.
   
   Mit Zensur verh”nge ich nur das Fenster, durch das ich schaue. Ich
   ”ndere damit nichts. Eine Erfahrung, die die DDR-F¸hrung immerhin
   schon ein paar Jahre vor der Bundesregierung machen durfte. Eine
   Einsicht, die ich auf meinem Weg in die Politik mitgenommen habe. Eine
   zweite Erfahrung in diesem Zusammenhang war jene, daþ Machthabende,
   die dies ignorieren, nicht mehr viel Zeit haben, ihre Macht
   auszukosten.
   
                                                  Berlin, 02. Januar 1997
                                                                         
   Nachfolgend stelle ich die beiden Schreiben der Staatsanwaltschaft
   beim Berliner Landgericht in dieser Sache ins Web. Dazu kommen noch
   kleine Dateien mit Infos zu einigen Details. Die entsprechenden
   Passagen sind gelinkt.
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                                   [LINK]
                       ... zur¸ck zu meiner Homepage
                                      
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   Neu seit 09.01.1997 F¸r freie Kommunikation im Netz
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 Im folgenden sind ausschlieþlich die Schreiben der Staatsanwaltschaft vom
Oktober und Dezember 1996 wiedergegeben und mit erg”nzenden Texten gelinkt.
 Fehler in Ausdruck und/oder Rechtschreibung und/oder Grammatik sind nicht
                     auf meinem Rechner gemacht worden.
                                      
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                   Verfahrenser–ffnung und Anklageschrift
                                      
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   Staatsanwaltschaft I bei dem Landgericht Berlin
   
   Frau
   Angela Marquardt
   ...
   
                                             Berlin, den 29. Oktober 1996
                                                                         
   Sehr geehrte Frau Marquardt!
   
   Unter vorstehendem Aktenzeichen f¸hre ich gegen Sie ein
   Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur nach ß130a
   Abs. 1 i.V.m. ßß126 Abs. 1 Nr.7, 316b Abs. 1 Nr.1 des
   Strafgesetzbuches strafbaren Anleitung zu Straftaten.
   
   Ihnen wird zur Last gelegt, bislang unbekannt gebliebenen Personen bei
   der Anleitung zu Straftaten dadurch Hilfe geleistet zu haben, indem
   Sie Ihre beim Online-Dienst COMPUSERVE-GmbH angemeldete Homepage
   "http://ourworld.compuserve.com/homepage/angela1" zur Verbreitung von
   Ausz¸gen aus der Zeitschrift "Radikal Nr. 154" zur Verf¸gung gestellt
   haben und so dort u.a. der Beitrag "Kleiner Leitfaden zur Behinderung
   von Bahntransporten aller Art" verbreitet werden konnte.
   
   Es steht Ihnen nach dem Gesetz frei, sich zu der Beschuldigung zu
   ”uþern oder nicht zur Sache auszusagen, auf Ihre Kosten einen
   Verteidiger zu w”hlen und sich von ihm beraten zu lassen. Auþerdem
   k–nnen Sie zu Ihrer Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen
   und - ¸ber Ihren Verteidiger - Einsicht in die Ermittlungsakten
   beantragen.
   
   Hiermit gebe ich Ihnen Gelegenheit, sich zu dem Vorwurf bis zum
   19.11.1996 schriftlich zu ”uþern. Machen Sie von Ihren vorstehend
   genannten Rechten keinen Gebrauch, werde ich nach Aktenlage
   entscheiden.
   
   Hochachtungsvoll
   
   von Hagen
   
   Staatsanwalt
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   Staatsanwaltschaft I bei dem Landgericht Berlin
   
                               Anklageschrift
                                      
   Angela M a r q u a r d t ,
   
   geboren am 3. September 1971 in Ludwigslust,
   wohnhaft ... Berlin, Deutsche, ledig,
   
   wird angeklagt,
   
   in Berlin
   zwischen August und dem 11. September 1996
   
   vors”tzlich einem anderen zu dessen vors”tzlich begangenen
   rechtswidrigen Tat, n”mlich der Anleitung zu eunem gemeingef”hrlichen
   Vergehen nach ß316b Abs.1 StGB, Hilfe geleistet zu haben
   
   sowie tateinheitlich damit
   
   vors”tzlich einem anderen zu dessen vors”tzlich begangenen
   rechtswidrigen Tat, n”mlich der in einer Weise, die geeignet ist, den
   –ffentlichen Frieden zu st–ren, durch verbreiten von Schriften
   erfolgten Billigung eines gemeingef”hrlichen Vergehens nach ß316b
   Abs.1 StGB, Hilfe geleistet zu haben.
   
   Der Angeschuldigten wird folgendes zur Last gelegt:
   
   In dem obengenannten Tatzeitraum wurden durch bislang unbekannte
   Personen Ausz¸ge aus der im Juni 1996 erschienen Druckschrift
   "RADIKAL" Nr.154 mit Wissen und Billigung der Angeschuldigten in der
   von ihr in der Funktion als stellvertretende Parteivorsitzende der PDS
   ¸ber den Internet-Dienst Compuserve GmbH betriebenen Internet-Homepage
   "http://ourworld.compuserve.com/homepages/angela1" verbreitet. Dabei
   handelte es sich unter anderem um die Artikel "Kleiner Leitfaden zur
   Behinderung von Bahntransporten aller Art" sowie "Jedes Herz eine
   Zeitbombe - Rekrutierungsz¸ge / abschiebez¸ge stoppen!", die sich
   inhaltlich mit bevorstehenden und bereits ver¸¸bten Anschl”gen auf
   Gleisstrecken der Deiutschen Bahn befassen.
   
   Der Beitrag "Kleiner Leitfaden zur Behinderung von Bahntransporten
   aller Art" enth”lt unter anderem die folgenden Textpassagen:
   
     "Unsere Aufmerksamkeit galt solchen Anlagen, deren Sabotage die
     Sicherheit von Menschen nicht gef”hrden, aber dennoch m–glichst
     viel Reibung im Verkehrsfluþ verursachen w¸rde - und wir haben
     etwas gefunden! ...
     Schaut nach, was sich in der H–he eines solchen Kastens am Gleis
     befindet. Als Orientierung dient eine recht dicke Leitung (...),
     die vom Kasten aus zum Gleis f¸hrt. ... Was ihr mit dem Inhalt des
     jeweiligen Kastens anstellt, bleibt Eurer Phantasie ¸berlassen, die
     Palette reicht vom Kabel-Durchzwicker (selbstverst”ndlich mit
     isoliertem Werkzeug) bis Totalschaden. ...
     Umgeleitet werden kann er prinzipiell auch auf das Gegengleis, um
     so die Problemzone zu umfahren - also: beide Richtungen
     sabotieren."
     
   Der Beitrag "Jedes Herz eine Zeitbombe - Rekrutierungsz¸ge /
   abschiebez¸ge stoppen!" enth”lt unter anderem die folgenen
   Textpassagen:
   
     "Laut Zeitungsmeldungen hatte ein Streckenl”ufer der
     DeutschenBundesbahn in zwei Schaltk”sten f¸r Achsz”hler Brands”tze
     gefunden.
     Das wundert uns nicht. Die hatten n”mlich wir am 2.1. an der Trasse
     Berlin-Magdeburg dort abgelegt. Die beiden Achsz”hler waren von uns
     mit je einem Brandsatz best¸ckt worden, ... . Dar¸berhinaus hatten
     wir an zwei Radsensoren ... die Kabel durchgezwickt, ... .
     R¸ckblickend k–nnen wir sagen, daþ die Aktion gemessen an unseren
     Erwartungen etwas floppig ausgefallen ist. Wir hatten uns eine
     ordentliche Behinderung des Bahnverkehrs versprochen. Die ist zwar
     eingetreten, jedoch mit zweimonatiger Versp”tung. ...
     Wir begr¸þen eine –ffentliche Auswertung militanter Aktionen um der
     Verbreitung des militanten Widerstands zuzuarbeiten und anderen
     Menschen die M–glichkeit zu geben, selber direkte Aktionen zu
     machen."
     
   Der Angeschuldigten, die Kenntnis vom Inhalt der verbreiteten Ausz¸ge
   hatte, war bewuþt, daþ diese sowohl Anleitungen zur St–rung des
   –ffentlichen Bahnbetriebs als auch die Billigung bereits erfolgter
   Anschl”ge auf Gleisstrecken der Deutschen Bahn enthielten. Indem sie
   den bislang unbekannten Personen die Nutzung der Homepage erm–glichte,
   nahm sie das Verbreiten dieser Schriften zumindest billigend in Kauf.
   
   Vergehen: strafbar nach den
     * ßß130 Abs.1,
     * 140 Nr.2, jeweils i.V.m.
     * 126 Abs.1 Nr.7,
     * 316b Abs1,
     * 27,
     * 52 StGB.
       
Beweismittel:

   I. Urkunden:
    1. Schreiben der Firma Compuserve GmbH vom 28.10.1996
    2. Ausdruck des Inhalts der Homepage
       "http://ourworld.compuserve.com/homepages/angela1"
       
   II. Beiakten:
    1. Sonderheft Vorgang 2 ARP 110/96-4 der Bundesanwaltschaft beim BGH
    2. Akten 2 ARP 110/96-4 der Bundesanwaltschaft beim BGH
       
   Es wird beantragt,
    1. das Hauptverfahren zu er–ffnen und die Anklage zur
       Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten - Strafrichter -
       zuzulassen;
    2. die Sache zur gemeinsamen Verhandlung mit dem Verfahren ... zu
       verbinden
       
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                      ... zur¸ck zur Zensurseite[LINK]
                                      
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