Florian Cramer on Mon, 31 Jan 2000 23:17:08 +0100 (CET)


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Re: [rohrpost] dot-com oekonomie


Am Mon, 31.Jan.2000 um 14:57:37 +0100 schrieb sascha brossmann:
> das ist ziemlich euphemistisch ausgedrückt. das internet ist in 
> seinen anfängen ein militärprojekt gewesen. daher auch seine 
> dezentrale struktur (da damals die fragestellung unter anderem war, 
> wie eine informationstragende und -übermittelnde struktur am 
> schwersten angreifbar sein kann, z.b. im falle eines atomaren 
> angriffs).

Das ist ein alter Mythos, den Viriliosten und Kittlerianer immer wieder
aufwärmen. Die Ursprünge des ARPA-Net bzw. Internet liegen in der Tat in den
Universitäten, und die historische Affinität der Berkeley-Hippies, des
Berkeley-Unix BSD und des ARPA-Nets bzw. später von TCP/IP als Verdrahtung
dieser Unix/BSD-Maschinen ist nicht zufällig. Leider habe ich die genaue
Quelle nicht mehr zur Hand, aber einem der Netz-Väter (Postel?) zufolge ließ
man sich damals die Geschichte mit dem Atomkrieg einfallen, um Washingtoner
Regierungsbeamten die Subventionierung des Projekts schmackhaft zu machen.

> genau. mp3 ist ja ebenfalls nicht frei: für mp3-codierer sind nämlich 
> lizenzgebühren an die fraunhofergesellschaft zu zahlen. auch die 
> inhalte, die mittels mp3 transportiert werden, sind alles andere als 
> "frei", da ergebnis eines - wie auch immer gearteten - 
> produktionsprozesses der mit einer ziemlich unfreien ökonomie 
> verbunden ist. genauso wie alle anderen inhalte im netz auch.

Hier stimme ich Dir absolut zu. Vor allem ist mir unbegreiflich, wieso mp3
immer wieder mit Freier Software bzw. Open Source in Verbindung gebracht
wird. MO3-Dateien enthalten, zumindest bei elektronischer oder im Studio
abgemischter Musik, gerade nicht den Quellcode, sondern nur das Kompilat,
und ihr "psychoakustisches Modell" der Datenreduktion legt schon das
_technische Medium_ auf einen musikalischen Mainstream fest (denn komplexe,
ungewöhnliche, nicht vorauskalkulierbare Musik wird von MP3 vermatscht).

> ich versuche zu sagen, dass das netz schon jetzt nicht "frei" ist, 
> und dass es (nicht nur) aufgrund seiner zugangsvorausssetzungen 
> niemals "frei" war. du kannst ein medium nicht einfach von seinem 
> interface und seiner infrastruktur trennen, und an diesen punkten ist 
> schlicht und einfach schluss mit der "freiheit".

Auch ein wichtiger Punkt. Das Internet ist nicht 'frei' oder 'kostenlos',
nur weil nicht die Anbieter von Inhalten bezahlt werden, sondern eine
Multimilliarden-Industrie von Netzprovidern, Telefonfirmen sowie Hardware-
und Softwareherstellern. Rechnet man allein die Eingangsinvestitionen für
einen Internetzugang zusammen (Rechner, ggfs. Software, Provider,
Telefongebühren), so sind Reclam-Taschenbücher - die man ja auch in
Antiquariaten kaufen oder in Bibliotheken ausleihen kann - i.d.R. ein
'freieres' Gut als die elektronischen Texte des Gutenbergprojekts.

Florian

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