florian schneider on Mon, 7 Feb 2000 22:21:36 +0100 (CET)


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Re: [rohrpost] endo- und exorasssismus, haidermanagement und der ganze scheiss


> lösungsvorschläge umsetzbarer (medien)politik erwartend,
> thorsten

vielleicht noch nicht die loesung, aber unter den gegebenen
umstaenden vielleicht von bedeutung - trotz der textmenge...

/fls

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Flüchtlingskongress 
21. April bis 1. Mai 2000 
in Jena

Einleitung

Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen

Die "Karawane"-Bewegung begann kurz vor den Bundestagswahlen 1998. Unter
dem Motto "Wir haben keine Wahl, aber eine Stimme!" reisten wir in 35
Tagen durch 44 deutsche Städte und ermöglichten Zehntausenden von
Flüchtlingen ihre politischen Forderungen zu artikulieren. Dort wurde
der Grundstein dafür gelegt, unter Flüchtlinge und MigrantInnen aus
Afrika, Südamerika, Asien und dem Nahen Osten sowie deutschen
AntirassistInnen und AnifaschistInnen eine zielgerichtete Einheit zu
bilden. Doch es ist nicht nur die Angst vor Abschiebung oder der
persönlich erlebte Rassismus, die uns zusammengebracht haben: Während
des G8-Gipfels 1999 in Köln drückten wir unter dem Motto "Wir sind hier,
weil Ihr unsere Länder zerstört", ein weiteres Mal unsere politischen
Forderungen aus. Mit einem Hungerstreik klagten wir als Flüchtlinge aus
vier Kontinenten die Herrschenden der westlichen Industrienationen vor
der Weltöffentlichkeit an. Um ihre Profite zu maximieren, unterstützen
die westlichen Staaten die diktatorischen und faschistischen Regime in
unseren Herkunftsländern. Auf diese Weise schaffen sie erst die Ursachen
für unser Leid und unsere Flucht. Als wir begannen, für unsere Rechte zu
kämpfen, sahen wir uns anfänglich verstärkten Repressionen ausgesetzt.
Doch in den letzten eineinhalb Jahren waren wir zunehmend darin
erfolgreich, gerade diejenigen zu verteidigen, die sich trotz der
Gefahren engagierten und sich unserem Kampf anschlossen. Außerdem begann
die Karawane als Netzwerk zwischen verschiedenen Städten und
Nationalitäten zu fungieren und legte somit das Fundament dafür, als
eine starke und ernstzunehmende Bewegung in Kraft zu treten. Schon wird
unser Kampf von den Industrienationen auf eine höhere Ebene gezogen, mit
immer neuen technischen Innovationen rüsten sie ihren Repressionsapparat
auf, um "ausländische Kriminelle" fernzuhalten oder sich ihrer zu
entledigen. Gleichzeitig wird mit geschickter Propaganda die Plünderung
unserer Länder gerechtfertigt und gedeckt und die brutale Unterdrückung
jeglichen Widerstandes verschleiert. Wir denken, daß es nun an der Zeit
ist, zu reflektieren; genauso besteht aber auch die Notwendigkeit, den
Kampf unvermindert fortzuführen. Wir müssen einerseits unsere
Errungenschaften und Erfolge festigen und ausbauen, aber auch neue
Überlebens- und Widerstandsstrategien erwägen. Die Kafkaeske Festung
Europa wird zu einem sehr realen Alptraum für Flüchtlinge. Wenn schon
"gewöhnliche" europäische BürgerInnen zum Spitzeltum und der Beteiligung
am Kampf gegen den imaginären Feind von außerhalb ermutigt werden, wird
der Erfolg des Kampfes unserer Brüder und Schwestern in unseren
Herkunftsländern mehr und mehr davon abhängen, wie effektiv wir unsere
Solidarität hier gestalten und wie wirkungsvoll die Strategien sein
werden, die wir entwickeln. Aber Abschiebung und Isolation machen den
Aufbau einer solchen Solidarität nahezu unmöglich. Vor diesem
Hintergrund organisiert die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und
MigrantInnen einen zehntägigen Kongress, der darauf abzielt, die Kräfte
für den Aufbau einer schlagkräftigen Einheit gegen Abschiebung und
soziale Ausgrenzung zu bündeln. Abschiebung stellt nicht nur deshalb
eine massive Menschenrechtsverletzung dar, weil Menschen, die vor
Verfolgung, Folter und Tod fliehen, zynisch an ihre Häscher ausgehändigt
werden, sondern auch deshalb, weil Abschiebung das grundlegende Recht
aller Menschen auf Freizügigkeit verletzt. In der Abschiebepraxis des
Westens manifestiert sich ein weltweites Netzwerk von Apartheid zwischen
einigen wenigen, die sich an Früchten des Neoliberalismus ergötzen, und
den vielen, die, wie es ein tamilischer Dichter einst ausdrückte "ihr
Schicksal nur wie mit einem auf die Stirn gebrannten Kainsmal ertragen".
Die kleine Zahl derer, die den Weg in die "Festung Europa" gefunden
haben, sieht sich einem ständig stärker werdendem Druck und ebensolcher
Demütigung ausgesetzt, die nur das eine Ziel kennen: uns das Leben so
schwer zu machen, so daß wir "freiwillig" zurückkehren. Soziale
Ausgrenzung hat zwei Dimensionen. Zum einen verhindert sie jeglichen
Kontakt zwischen Flüchtlingen und der örtlichen Bevölkerung - von
Integration ganz zu schweigen. Aber sie ist auch der Versuch,
Flüchtlinge in ein politisches Vakuum einzusperren, so daß es uns
unmöglich gemacht wird, etwas gegen die hinterhältige Propaganda des
Westens zu unternehmen, die die Zustände in unseren Herkunftsländern
beschönigt, verschleiert und verharmlost. Genauso wie die Isolierung von
Flüchtlingen uns daran hindert, unsere Solidarität mit dem Widerstand
unserer Brüder und Schwestern in unseren Herkunftsländern auch nur zum
Ausdruck zu bringen. Wir glauben, daß der Kampf gegen Abschiebung und
Isolation alle Facetten unseres Widerstandes zusammenbringen kann. Wenn
wir gegen Abschiebungen kämpfen, kämpfen wir nicht nur für unser Recht
als Menschen behandelt zu werden, sondern wir zerreißen auch den
Schleier aus Lügen und Korruption, mit dem der Westen versucht, die
Ausbeutung unserer Länder und den Widerstand unserer Brüder und
Schwestern totzuschweigen, sowie die tyrannischen Regime zu
legitimieren. Dabei besteht ihre einzige Legitimation darin, sich zum
Erfüllungsgehilfen der Verbrechen der Industrienationen zu machen. Wenn
wir gegen Isolation kämpfen, kämpfen wir nicht nur für unser Recht, Teil
der menschlichen Gesellschaft sein zu dürfen und nicht in Gettos
eingepfercht zu werden, sondern auch darum, echte Solidarität mit denen
üben zu können, die in den Ländern, die wir hinter uns gelassen haben,
kämpfen und weiter Widerstand leisten. Der unerbittliche Angriff auf
unsere Rechte, hat unseren Willen nicht brechen können. Aus den
Isolationsgefängissen genannt "Flüchtlingslager" heraus werden wir
unseren Kampf führen. Diese vom "The Voice" Afrika- Forum, der Jenaer
Karawane-Gruppe, koordinierte Konferenz wird unsere Entschlossenheit
dokumentieren, mit der wir "gemeinsam gegen Isolation und Deportation"
kämpfen werden. Obwohl wir "Flüchtlingskongreß" sagen, und er im
Wesentlichen von Flüchtlingen organisiert wird, möchten wir alle
ernsthaften antirassistischen Kräfte ermutigen, sich vorzubereiten und
den Zeitraum vom 21. April bis zum 1. Mai 2000 freizuhalten, um an
diesem wichtigen Ereignis teilnehmen zu können. Euer Beitrag wird ein
notwendiger Teil beim Aufbau eines erfolgreichen Widerstands sein.
Außerdem rufen wir alle Flüchtlinge, MigrantInnen und AntirassistInnen
zu diesem frühen Zeitpunkt auf, ihre Ideen und Vorstellungen zu den
Inhalten des Kongresses beizusteuern, da das Programm noch weitgehend
offen ist.

Programm

Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört Europäische Politiker,
wie der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, geben zu, "sicher,
es gibt Probleme in der Welt", um dann zu fragen "aber warum müssen alle
Flüchtlinge ausgerechnet nach Deutschland kommen?". Seine Antwort ist,
daß Deutschland nicht in der Verantwortung stehe, sich um die Probleme
der ganzen Welt zu kümmern. Ihm zufolge trifft Deutschland keine Schuld
an den Ursachen der Probleme der Welt. In Wahrheit aber gibt es einen
direkten Zusammenhang zwischen Deutschlands Wirtschafts- und
Außenpolitik und dem Entstehen von Fluchtgründen. Das billige Öl, das
von Nigeria nach Deutschland fließt und die Diktatur, die den
multinationalen Konzernen wie Shell dazu verhilft das Land auszubeuten,
hängen direkt zusammen. Es waren die Interessen des Westens, die den
Militärputsch im Jahre 1966 lenkten. Dieser Putsch bedeutete das Ende
des postkolonialen Demokratisierungsprozesses in Nigeria, der erstmals
Minderheiten, wie den Ogoni im Niger-Delta Rechte zugestanden hatte. Die
Demontage dieses Prozesses ging einher mit der Ausbeutung der Ölvorräte
des Deltas durch ausländische Firmen. Mehr als drei Jahrzehnte strömte
das Öl aus Ländern wie Nigeria um "Wirtschaftswunder" wie das deutsche
voranzutreiben. Aber das Niger-Delta steht in Flammen und wenn die in
bittere Armut getriebenen Menschen gegen Obasanjo, den ehemaligen
Militärdiktator, den der Westen nun versucht, als liberalen Demokraten
darzustellen, protestieren, gibt dieser die Order, sie "wie Tiere zu
erschießen"! Einige Wochen später wurde für ihn bei einem Staatsbesuch
in Deutschland der rote Teppich ausgerollt, während zu selben Zeit
politische Flüchtlinge aus Nigeria wegen "offensichtlich unbegründeter"
Asylanträge aus Deutschland abgeschoben werden. Getrieben von
wirtschaftlichen und strategischen Interessen haben die amerikanische
und die europäischen Regierung das faschistische Regime in der Türkei
gestärkt und so den schmutzigen Krieg gegen das kurdische Volk
unterstützt und vorangetrieben. Die PKK hat im Jahre 1993 einen
Friedensprozeß begonnen, der bis zum heutigen Tag keine Erwiderung durch
die türkische Regierung gefunden hat. Die Antwort des Westens jedoch
bestand in offenem Terrorismus und Konspiration, die ihren Höhepunkt in
der Entführung von Abdullah Öcalan fand. Die ungezügelte Repression
gegenüber kurdischen Flüchtlingen in Deutschland ist die direkte
Fortsetzung der Gewalt, die sie durch das türkische Regime und die
extreme Rechte in ihrem eigenen Land zu erleiden hatten, und die sich in
dem Todesurteil gegen Abdullah Öcalan manifestiert. Abschiebungen
legitimieren das Handeln des türkischen Regimes durch den Westen und
verleihen diesem - und nicht der kurdischen Bewegung - den Nimbus des
Friedensschaffenden. Die gleiche Wirkung zeigt das weiter
aufrechterhaltene Verbot der PKK in Deutschland, das ihre
Unannehmbarkeit als legitimen Verhandlungspartner symbolisiert. Eine
demokratische Lösung für die Türkei setzt voraus, daß der wahre
Charakter des Regimes beim Namen genannt wird, statt ihn zynisch aus
egoistischen Gründen zu leugnen, wie Europa dies tut. Eben darum ist es
heute nötiger denn je, gegen die Abschiebung kurdischer Flüchtlinge zu
kämpfen, um ihrer Stigmatisierung als Terroristen zu begegnen. Wir
dürfen nicht tatenlos zusehen, wie der Westen - in Hoffnung auf weitere
lukrative Märkte und Projekte wie den Ilisu-Staudamm, oder die geplante
Öl-Pipeline zwischen Aserbaidschan/ Kurdistan und den türkischen
Schwarzmeerhäfen - versucht, die kurdische Bewegung endgültig zu
zerschlagen. Auch Sri Lanka ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Von
den Industrienationen wird es als eine Art Brückenkopf für die
neoliberale Rückeroberung des indischen Subkontinents betrachtet.
Deswegen sehen sie in dem Kampf des tamilischen Volkes für politische
Unabhängigkeit und Emanzipation, mit dem Millionen unterdrückter
Menschen in dieser Region große Hoffnungen verknüpfen, eine große
Gefahr. Um den tamilischen Kampf niederzuschlagen, massakrierten, von
westlichen Geberländern finanzierte Milizen mehr als 80.000 Menschen.
wichtige HauptrednerInnen aus Afrika, Asien, dem Mittleren Osten und Süd
Amerika werden dieses Themaeinleiten. (nähere Informationen erhaltet ihr
unter den Kontaktadressen)

Festung Europa, Grenz- Regimes und die internationale Organisierung von
Flüchtlingen 

Sie waren 16 als sie sich in einer kalten Winternacht aufmachten. Sie
ließen einen Alptraum namens Sri Lanka hinter sich. Sie waren Tamilen,
auf der Suche nach Zuflucht, Freiheit vor Verfolgung. Am nächsten Morgen
hatte nur einer überlebt. "Wir wurden mitten im Wald abgesetzt",
berichtete der Überlebende. "Es war kalt und wir hielten uns an den
Händen, um uns nicht zu verlieren. Einige Kilometer weiter wurden wir
von Suchscheinwerfern geblendet, wir hörten Stimmen und bellende Hunde.
Wir wurden verfolgt und versuchten zusammenzubleiben, als wir
davonliefen. Das Bellen und die Stimmen kamen näher. Plötzlich gerieten
wir an das Ufer eines Flusses. Uns wurde gesagt, daß er flach sei, er
sah aber sehr tief aus und die Strömung war heftig. Wir wußten, daß wir
auf die andere Seite mußten, anderenfalls würden wir zurück nach Sri
Lanka zurückgeschickt werden. Aber die Strömung war zu stark und ich
hörte die Schreie meiner Begleiter, als sie davongespült wurden. Ich
sah, wie das Wasser über einer Frau mit zwei Kindern zusammenschlug, ich
versuchte sie zu retten, aber es war zu spät... unmöglich,
hoffnungslos." Für uns Flüchtlinge ist das die Realität an den Grenzen,
die Realität der Festung Europa. Die Grenze zwischen den Städten aus
Smaragden, gebaut auf allem Reichtum dieser Erde und der Wüste des
Elends, zu der der Rest der Welt geworden ist. Deutschland, die stärkste
Wirtschaftsmacht Europas, treibt die Aufrüstung und den Ausbau der
"Festung" weiter voran, immer ihr Ziel vor Augen, keine Flüchtlinge mehr
ins Land lassen zu müssen. Während des Wirtschaftswunders im
Nachkriegsdeutschland waren die europäischen Länder gezwungen, billige
Arbeitskräfte ins Land zu holen, um die Produktion aufrechterhalten zu
können. Heute, in Zeiten der Globalisierung, verfrachten multinationale
Konzerne die Arbeit dahin, wo sie am billigsten ist und wo die
ArbeiterInnen skrupellos ausgebeutet werden können. Heute gibt es nicht
nur keine legale Möglichkeit der Einwanderung in die BRD mehr, es wird
auch das Asylrecht abgeschafft, um möglichst jeden Nichtdeutschen daran
zu hindern, ins Land zu gelangen. Deutschland versucht mit massivem
Aufwand eine stärkere Kontrolle aller Grenzen Europas durchzusetzen, um
die Chancen für Flüchtlinge zu minimieren, über Drittstaaten
einzureisen. 1998, als kurdische Flüchtlinge Italien erreichten, und
diese von der italienischen Regierung als politische Flüchtlinge
bezeichnet wurden, bestand die deutsche Regierung auf der Sprachregelung
"kriminelle Migranten" und warf Italien mangelnde Gewissenhaftigkeit bei
seinen Grenzkontrollen vor. Alle europäischen Randstaaten haben an ihren
Grenzen "Sicherheitsmaßnahmen" zu ergreifen, die den deutschen
entsprechen, anderenfalls müssen sie um ihren Verbleib im "Schengener
Abkommen" oder der EU fürchten. Weiterhin hat Deutschland die sogenannte
"Drittstaatenregelung" eingeführt, um einen "Zustrom" von Flüchtlingen
über ärmere europäische Länder zu unterbinden und eine
computergestützte, europaweite Fingerabdruckdatei (EURODAC)
eingerichtet. EURODAC ist in der Lage, anhand der Fingerabdrücke
festzustellen, wo ein Flüchtling nach Europa eingereist ist. Die
Drittstaatenregelung gibt den reicheren und mächtigeren europäischen
Ländern die rechtliche Möglichkeit, Flüchtlinge in die ärmeren
Randstaaten abzuschieben, über die wir in die EU eingereist sind. Die
Bundesrepublik Deutschland, der ethnische Säuberungen nicht fremd sind,
ist auf dem besten Wege, uns nicht nur daran zu hindern, nach Europa
einzureisen, sondern versucht darüber hinaus auch noch einen Schutzwall,
speziell für uns Flüchtlinge, um seine Grenzen aufzubauen.

Soziale Ausgrenzung, staatlicher Rassismus und Faschismus 

Im Zuge der wirtschaftlichen Einigung Europas, sehen Europas Bürger die
Grenzen verschwinden. Für uns aber tun sich überall Grenzen auf. In
jeder Stadt, jedem Bahnhof und auf den Straßen werden wir kontrolliert
und erniedrigt. Deutschland ist , einmal mehr, die treibende Kraft, uns
zu isolieren und von der europäischen Gesellschaft auszuschließen. Mit
unsäglichen Gesetzen wie der "Residenzpflicht", die die
Bewegungsfreiheit von uns Flüchtlingen auf ein eng begrenztes Gebiet in
Deutschland einschränkt und uns zwingt in "Flüchtlingslagern", die
vielmehr den Charakter von Gefängnissen haben, zu leben, hat die
deutsche Regierung das Instrumentarium aus der Taufe gehoben, uns zu
isolieren und auszuschließen. Im Mikrokosmos Ostdeutschland spürt man
die Folgen dieser Entwicklung besonders deutlich. Hier hat die
Fieberkurve des sozialen Drucks auf uns Flüchtlinge einen Höhepunkt
erreicht. Eine unheilvolle Wechselwirkung zwischen neofaschistischen
Anschlägen, Propaganda und Abschiebungen - als der letzten Konsequenz
staatlicher Repression - setzt uns einem unerträglichen physischen und
psychischen Druck aus. Der Prozeß der Ausgrenzung und Isolation
beschränkt sich mitnichten auf diejenigen von uns, die erst kürzlich
hier angekommen sind. Einflußreiche Wirtschaftsführer lassen keine
Zweifel daran aufkommen, daß sich dieses Land selbst Kinder und
Enkelkinder von Einwanderern, die einen nicht unerheblichen Teil der
Jugend dieses Landes darstellen, entledigen sollte. Denn "die deutsche
Wirtschaft hat keine Verwendung für sie, zumal sie unterqualifiziert
sind, keinen Respekt gegenüber den deutschen Gesetzen haben, sich
zumeist kriminellen Banden anschließen und schlicht und einfach keinen
Platz in der deutschen Gesellschaft haben." Diese Rhetorik ist, wie wir
finden sehr, symptomatisch für die Verachtung, die die herrschende
Klasse dieses Landes nicht nur uns Flüchtlingen, sondern auch einem
großen Teil ihrer eigenen Bevölkerung entgegenbringt. Während die
Arbeitslosigkeit in Deutschland zunimmt und die Reichen immer reicher
werden, verteidigen zynische deutsche Politiker den Status Quo und das
System, indem sie die - legitime - Wut der Armen in Deutschland in einen
Haß auf Ausländer umlenken Mit einem Besuch des ehemaligen
Konzentrationslagers Buchenwald
Frauen und Flucht/ Migration "Ich kam hierher in dem Glauben, mich in
einem freien Land zu befinden, aber das Verhalten der deutschen
Polizisten war dasselbe wie im Iran. Ich konnte nicht glauben, das sie
mich hier ebenso schlecht behandeln würden und das sie mich gewaltsam
zwingen würden, einen Schleier anzulegen. Sie verletzten meine Rechte
und meine Würde als Frau (...)" -Roya Mosayebi- Roya Mosayebi, der es
gelungen war, aus der Islamischen Republik Iran nach Deutschland zu
fliehen, um der brutalen Unterdrückung von Frauen zu entrinnen, wurde
nach zweieinhalb Jahren erneut mit den repressiven islamischen Gesetzen
konfrontiert. Bundesamt und Gerichte verweigern ihr das Recht auf Asyl
und wollen sie zur Ausreise zwingen. Die iranischen Behörden verlangen,
daß sie auf dem Reisedokument, das für ihre Abschiebung angefertigt
werden muß, mit Kopftuch abgebildet ist. Doch als sie Deutschland
erreichte, hatte sie sich geschworen, daß sie nie wieder in ihrem Leben
ein Kopftuch tragen würde. Darum schleppten Polizeibeamte Roya gewaltsam
auf die Polizeiwache, banden ihr -trotz ihres Protestes- ein Kopftuch um
und fotografierten sie in dieser Aufmachung. Ausgerechnet die Behörden
des Landes, in das sie kam, um Schutz zu suchen, macht sich so zum
Erfüllungsgehilfen der frauenfeindlichen Gesetze im Iran. Dieselben
Behörden verboten einer Lehrerin, einer deutschen Staatsbürgerin
islamischen Glaubens, ihren Beruf auszuüben, da sie für gewöhnlich einen
Schleier trägt. Sie begründete dieses Verbot mit der Unvereinbarkeit
solchen Verhaltens mit den Grundprinzipien eines säkularisierten
Staates. Doch in das Problem ist nicht das Kopftuch als solches, sondern
ein brutaler Chauvinismus gepaart mit Rassismus, der Frauen fremder
Herkunft das Recht versagt, frei über sich selbst zu bestimmen. In jedem
einzelnen unserer Herkunftsländer werden wir als Frauen gleich mehrfach
unterdrückt. Ganz abgesehen von der Hausarbeit, die uns als Frauen
aufgebürdet wird, stehen uns große Hindernisse im Weg, wenn wir
Lohnarbeit verrichten wollen. Politische Selbstbestimmung, Bildung und
Teilnahme an sozialen Aktivitäten wird uns fast völlig verwehrt.
Beschneidung, Zwangsheirat, Zwangsverschleierung und Steinigung sind die
bittere Realität in vielen unserer Herkunftsländer. Wenn wir uns wehren
und zurückschlagen, wie es beispielsweise die Kurdinnen oder Tamilinnen
tun, greifen die Regime zur Vergewaltigung als Kriegswaffe und
politisches Druckmittel. Massenvergewaltigungen sind kein seltenes
Mittel kriegerischer Auseinandersetzungen. Die frauenfeindlichen
Gesetze, wie die des Regimes im Iran zwar offiziell von den westlichen
Industrienationen verurteilt. Doch nichtsdestotrotz unterstützen und
stabilisieren sie genau diese Regime für ihren wirtschaftlichen Vorteil.
Die Verurteilung bleibt also nicht mehr als eine hohle Phrase.
Wirtschaftsliberalismus und reaktionäre Politik gehen Hand in Hand.
Diese Kollaboration wird im Fall von Roya Moyasebi besonders deutlich:
um sich unliebsamer Flüchtlinge zu entledigen, greifen sie auf die
gleichen mittelalterlichen Methoden zurück, die die Regime anwenden, die
sie doch angeblich verurteilen. Neben allgemeineren Fluchtursachen wie
Armut, Gewalt und Verfolgung, Krieg und Bürgerkrieg werden die extremen
Formen der Unterdrückung von Frauen und Mädchen, die frauenspezifischen
Fluchtgründe, nicht für die Gewährung von Asyl anerkannt. In Ländern wie
Deutschland ist es für Frauen so gut wie unmöglich, ohne Heirat Asyl zu
erlangen. Frauen ohne Aufenthaltserlaubnis, Prostituierte die zwischen
Ausbeutung und Abschiebung leben, sind nur die Spitze des Eisberges
einer Realität, der wir tagtäglich gegenüberstehen. Bei allen Themen,
die auf dem Kongress behandelt werden, werden aus dem allgemeinen
Problem die speziellen Bedingungen für Frauen heraus gearbeitet. Wir
müssen für die Anerkennung frauenspezifischer Fluchtgründe als
Asylgründe, gegen sexuelle Gewalt und gegen jede Form der Unterdrückung
von Frauen weltweit kämpfen. Es gilt, Umgangsformen zu entwickeln, die
sicherstellen, daß Frauen auch innerhalb der "Karawane" keine
sexistische Aggression und Diskriminierung hinnehmen müssen.

Gemeinsam gegen Abschiebung 

Es wird oft behauptet, daß die neofaschistischen Anschläge, die
gewaltsamste Manifestierung des Rassismus in westlichen Demokratien
darstellen. Dies bedeutet, die systematisch geplante alltägliche Gewalt
gegen Flüchtlinge durch den Staat vergessen zu machen. Diese Gewalt hat
einen Namen: Abschiebung. Jeden Tag werden tausende AusländerInnen
gefangengenommen, eingesperrt, ja sogar getötet, wie es am 10 Dezember
´99 in Braunschweig der Fall war. Dort wurde ein Flüchtling kurzerhand
von der Polizei erschossen, weil er zuvor gedroht hatte, sich aus Angst
vor Abschiebung mit einem Messer umzubringen. Dies geschah aus keinem
anderen Grund, als dem, daß dieser Mensch kein Recht gehabt hätte, hier
zu sein. Dieser rassistische Anschlag entbehrt jeder logischen
Grundlage, mit Ausnahme der, zu demonstrieren, daß der Staat die
absolute Autorität hat, festzulegen, wer hier sein darf und wer nicht.
Dabei orientiert er sich ausschließlich an ökonomischen Kriterien. Mit
anderen Worten: Menschen dürfen wie Gebrauchsartikel eingeführt werden,
wenn sie denn gerade benötigt werden. Und wenn man sie gerade nicht
braucht, werden sie ausrangiert. Das ist nicht nur eine Katastrophe für
die Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, sondern auch für
diejenigen, die seit Generationen in diesem Land leben. Das ist der
Grund, weshalb Abschiebungen schon für sich genommen einen krassen
Verstoß gegen die Menschenrechte darstellen. Es verneint die Würde eines
jeden Menschen und erniedrigt sie auf das Niveau von Dingen. Ein
Zustand, wie er vor hundert Jahren normal war, als es noch den
Sklavenhandel gab. Als Voraussetzung für jeden Fortschritt, muß deshalb
zunächst die letzte Konsequenz des institutionalisierten Rassismus, die
Abschiebung, bekämpft werden. Abschiebung ist das Rückgrat und das
ausdrucksstärkste Symbol eines Systems internationaler Apartheid, das
die armen Länder zu desolaten Homelands degradiert, gerade gut genug,
die Tresore gieriger Multinationaler Konzerne zu füllen, den
Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt alle Rechte abzusprechen und
die westlichen Industrienationen zu ermächtigen, über Recht und Unrecht
zu entscheiden. So kann jedes Regime zur Absolution durch den Westen
gelangen, wenn Schily davon spricht, daß politische Freiheit
zwangsläufig auf wirtschaftliche Freiheit folge und somit das Asylrecht
in die Bedeutungslosigkeit abgedrängt wird. Besuch der regionalen
Flüchtligslager
1. Mai - Demonstration Es wäre für die deutsche Arbeiterklasse sicher
lohnend, sich einmal zu fragen, wie international die Demonstrationen am
"Internationalen Tag der Arbeit" in Deutschland überhaupt sind. Will sie
weiter den Multinationalen Konzernen nach dem Mund reden, um den
Standort Deutschland aufrecht zu erhalten, obwohl genau diese es sind,
deren globale Ambitionen an Armut und Arbeitslosigkeit auch in
Deutschland schuld sind? Wollen die ArbeiterInnen weiter die
Katastrophen in der Dritten Welt ignorieren? Oder wird sie sich endlich
einmal solidarisch mit den Flüchtlingen und MigrantInnen erklären, die
das lebende Zeugnis der weltweiten Verwüstungen durch das Kapital sind?
Wird sie einmal mehr die Augen vor dem Schicksal der Flüchtlinge und
MigrantInnen verschließen und die Lebenslüge ihrer Ausbeutung
aufrechterhalten? Oder wird sie sich unserem Kampf und unserer Bewegung
anschließen?
Der Kongress wird ein Manifest für die `Karawane für die Rechte der
Flüchtlinge und MigrantInnen' verabschieden und Aktionen für die nähere
und fernere zukunft planen.

Zeitplan 

20. April Ankunft - Einleitung - Kongress Eröffnung 
21.- 22. April "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört" 
23. - 24. April Festung Europa, Grenz Regimes und die internationale
Organisierung von Flüchtlingen 
25. - 26. April Soziale Ausgrenzung, staatlicher Rassismus und
Faschismus 
27. April Frauen und Flucht/ Migration 
28. - 29. April gemeinsam gegen Abschiebung 
30. April Zusammenfassung, Manifest und Zukunftsprojekte 
01. Mai Internationale Demonstration gegen Abschiebung

Adressen 

Nähere Informationen könnt Ihr unter den nebenstehenden Adressen
erhalten: 

Kongress - Koordinierungs - Büro:
The Voice Africa Forum, 
Tel (03641) 66 52 14, Fax (03641) 42 37 95, 
http://www.humanrights.de/congress,
mailto:THE_VOICE_Jena@gmx.de

Karawane - Koordinierungs - Büro: 
Internationaler Menschenrechtsverein Bremen, 
Tel (0421) 55 77 093, Fax (0421) 55 77 094,
http://www.humanrights.de, 
mailto:mail@humanrights.de

Karawane- Kommittee, "kein mensch ist illegal" in Hanau,
Tel (0172) 66 88 454, Fax (06181) 18 48 92

Spendenkonto: 
Kto. nr. 231 633-905, blz. 860 10 90, Postbank Leipzig

Anmeldung Zur Anmeldung schickt bitte diese Postkarte zurück. Um
Ernährung, Unterbringung und gegebenenfalls die An- und Abreise zu
organisieren, ist es wichtig, die Anzahl der teilnehmenden Presonen
anzugeben. Bei Flüchtlingen und evtl. Ausnahmen kann bei der
Organisierung und Zahlung der An- und Abreise von uns geholfen werden.

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