Norman Ohler on Fri, 11 Feb 2000 11:14:36 +0100 (CET)


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[rohrpost] Literatur im Netz: das Rutenberg-Projekt: Die Quotenmaschine


Nach einer traumlosen Nacht -

Was mich erstaunt hat bei der Rezeption der Quotenmaschine: dass Leute sich
tief beeindrucken liessen von der nicht besonders subtil agierenden
Propagandamaschine des Hoffmann & Campe-Verlags, der mein Buch als "ersten
Internet-Roman" hypte, was natürlich mit deren Kapitalinteressen
zusammenhing - und die zu durchschauen genügte den meisten Diskursmenschen,
und eine Auseinandersetzung mit dem Stoff zwischen den Covern, zwischen den
Öffentlichkeitsarbeitssandwichdeckeln (der HoCa-Pressechef wurde immer mehr
zu einem ominösen, kaum besiegbaren Gegenspieler von mir) wurde kaum noch
für nötig erachtet. HoCa hat also einen Zwischensieg errungen (ich wurde
dafür mittelmässig ausbezahlt, aber das beruhigt überhaupt nicht), wenn sie
auch kaum etwas davon hatten, denn die QM ist viel zu sperrig, um sie zu
einem Mainstream-Erfolg zu führen. Das ginge nur über die intellektuelle
Kritik - und die zeigte sich naturgemäß abgetörnt, wegen der ganzen
Internet-Jubelei.

weiterhin schreibt Heiko:

>auch nur ansatzweise sehe ich einen *netzprojekt*-charakter nicht
>bei der quotenmaschine: die angebotene mitwirkung der leserInnen per email
>sehe ich nirgends realisiert - im buch findet sich nicht einmal ein hinweis
>auf die netzadresse  - auch erfaehrt der doch ev. so angeregte leser / die
>leserin leider keine email-adresse, bei der er seine leseeindruecke
>loswerden koennte ...

>der autor ist also wieder einmal nicht tot zu kriegen - nicht einmal die
>autorenfiktion, von der mitwirkung der leserInnen keine spur ...

was real passiert ist: ich bin von NY nach Ostberlin gezogen, hatte keinen
Telefonanschluss, begann, mich um ein neues Projekt zu kümmern (das nichts
mit dem Inet zu tun hat) und vernachlässigte die Quotenmaschine ganz
bewusst. Sie sollte ab Februar 96 (Erscheinen des Hardcovers) ganz einfach
für sich selbst irgendwie mutieren oder sterben oder in neuer Blüte
erstrahlen. So ein Rabenvater, so ein schlechter Staat war ich damals.

Gruss,


Norman



"Der stumme Detektiv beschliesst, die Entstehung seiner Geschichte
öffentlich zu machen. Beschliesst, die Kapitel in den Sauberraum zu werfen,
die Konrolle über sie abzugeben, um: Vielleicht mehr zu schaffen,
vielleicht eine gemeinsame Geschichte."





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