florian schneider on 5 Aug 2000 09:14:47 -0000


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[rohrpost] grenzcamp (zwischenbericht)


http://www.nadir.org/camp/index.de.html

some english informations available: 
http://www.nadir.org/camp00

ZWISCHENBERICHT VOM 3. GRENZCAMP IN FORST/BRANDENBURG

Ein unheimliches Szenario!

 Yeeppie, wir sind die Lieblinge der Standort-Nation! Ein Kamera-Team
jagt das andere über unsere schöne grüne Wiese: ZDF, ORB, NTV und
ausländische Sender freuen sich, nette junge Menschen mit langen
zotteligen bunten Haaren vor die Kamera zu bekommen. Noch können wir uns
gar nicht daran gewöhnen, dass wir nicht mehr die Chaoten sind. Einzig
der Bürgermeister von Forst scheint uns das noch abzunehmen. Die
restlichen Politiker und Presseleute der Nation wollen mit uns kuscheln.
(Ihh!) Die PDS schlug laut Lausitzer Rundschau Brandenburgs
Innenminister Schöhnbohm (CDU) sogar vor, uns in den gesellschaftlichen
Konsens einzubeziehen. Kein Wunder, dass es hier so manchem anfängt zu
gruseln. Nach dem Bombenanschlag in D'dorf suchen standortverpflichtete
Deutsche händeringend nach dem Guten in Deutschland. Schließlich steht
der Imageverlust Deutschlands auf dem Spiel. Da war es doch ein Glück,
dass es ein antirassistsiches Grenzcamp gab und das auch noch im
'braunen Osten'. Wie können da ausländische Investoren Angst haben, wo
doch so nette Autonome vor Ort sind? Manche von uns finden diese
Situation recht schwierig, andere freuen sich schon auf das
Millionen-Köfferchen von Herrn Schreiber. Zur Presse und dem Umgang
damit mehr hier. 

 Aber wir geben nicht nur Autogramme an Fernseh-Redakteurinnen. Wir
haben auch ein bisschen Fangen mit dem BGS gespielt. Wir haben
Baumstämme auf eine überflüssige Strasse gelegt, Löcher gegraben, ein
Telefonkabel gekappt und davon sogar Farbfotos gemacht. Drei Stunden
(Schnarch) hatten wir Blockadeerlaubniss vom BGS erhalten. Die haben wir
aber doch lieber auf eine Stunde herunter gehandelt. Den Zweck der
Aktion erfahrt ihr hier. 

 Weniger spaßig war unser Besuch in Guben. Irgendwie wollten sich die
Gubener dem neuen Konsens noch nicht anschließen. Sie empfanden unser
Theaterstück als Ruhestörung und riefen die uns begleitende Polizei. In
Guben geht man wohl immer noch massiv vor, wenn sich Unerwünschte nach
19 Uhr auf der Straße aufhalten. 

 Wir hoffen auf zahlreiche Diskussionsbeiträge zu unserer paradoxen
Situation: 

 Mit der seeligen Hinnahme des Bestehenden kann auch die rein
spektakuläre Empörung als ein und das Selbe verbunden werden: dies
äußert die einfache Tatsache, dass die Unzufriedenheit selbst zu einer
Ware geworden ist, sobald der wirtschaftliche Überfluss fähig wurde,
seine Produktion bis auf die Bearbeitung eines solchen Rohstoffs
auszudehnen. (Guy Debord),

 Ihr seht, es gibt noch viele Gründe zahlreich zu erscheinen. 

 die redaktion des webjournals 
http://www.nadir.org/camp/index.de.html

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