Krystian Woznicki on 31 Oct 2000 14:17:26 -0000


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[rohrpost] Berliner Gazette, 01.11.


www.berlin.diy
oder: "Vielleicht haben wir auch nur verlernt, Fragen zu stellen?"

Herbst in Berlin unter neuen Vorzeichen: Ich lebe seit 1987 mit englischen 
und niederlaendischen Unterbrechungen in Neukoelln, neuerdings in Treptow, 
und habe meinen Job beim Rotterdamer Institut fuer die Instabilen Medien, 
V2_Organisatie, seit 1995 zum groesseren Teil als Teleworker gemacht. 
Trotzdem kommt's mir vor wie ein Ortswechsel, dass ich seit Anfang 
September die kuenstlerische Leitung der transmediale - internationales 
medienkunst festival berlin - uebernommen habe und deshalb tagtaeglich mit 
dem Rad die Koepenickerstrasse runter ins Buero im Podewil fahre.

Neben persoenlichen Gruenden ist es vor allem die Aussicht, in Berlin eine 
Plattform fuer Medienkultur zu bauen, die als Schnittstelle dient zwischen 
der starken aber fragmentierten lokalen Szene und dem wachsenden 
internationalen Netzwerk, an dem wir seit Jahren im Rahmen der 
niederlaendischen Virtual Platform, dem European Cultural Backbone, und 
informellen Zirkeln wie dem Syndicate oder dem Berliner mikro e.V. 
stricken. Bei einer mikro.lounge im Januar hatten wir ueber die Entwicklung 
einer lokalen Infrastruktur fuer unabhaengige Medienkultur gesprochen, die 
vorhandene Kraefte koppelt und sich gegenseitig verstaerken laesst. Im 
Idealfall waere das Festival einer der Knoten oder Katalysatoren in diesem 
Netz.

Normalerweise hat man ein knappes Jahr, um so ein Festival vorzubereiten. 
Uns bleiben in diesem Jahr wegen meiner spaeten Berufung nur fuenf Monate, 
in denen auch noch ein neues Team aufgebaut werden muss und einige 
politische Ueberraschungen verdaut werden. Denn Anfang Oktober sickerte aus 
dem Senat die Information, dass im Haushalt des Kultursenators fuer 2001 
die Gelder fuer die transmediale - immerhin ein Drittel unseres 
Gesamtbudgets -, wie auch die von vielen anderen freien Projekten nicht 
mehr vorkommen. Damit begann ein Tauziehen ueber die Notfinanzierung, das 
mir freilich immerhin Gelegenheit zu einigen Antrittsbesuchen verschafft hat.

Heute, 31.10., weiss ich noch nicht, ob wir mit Geldern vom Senat rechnen 
koennen; deshalb planen wir momentan ein arg gestrafftes Minimalprogramm, 
das sich um das Thema DIY [do it yourself !] drehen wird. Mit DIY 
konzentrieren wir uns auf die Moeglichkeiten, die digitale Medien heute in 
zunehmenden Masse bieten, damit aus passiven Nutzern und Konsumenten aktive 
Produzenten werden. Dieses Prinzip der digitalen Kulturoekonomie wirkt sich 
in Produktion, Praesentation und Distribution aller Sparten aus, und wir 
wollen zeigen, wie sich gerade im kuenstlerischen und kulturellen Bereich 
oft spannende und innovative Ansaetze fuer eine kompetente Medienpraxis 
entwickeln. Darum haben wir auch den weltweit ersten Preis fuer 
"Kuenstlerische Software" ausgeschrieben - neben Preisen in den Bereichen 
Interaktiv und Video.

Ich sehe fuer eine solche Arbeit nicht nur eine kulturelle Notwendigkeit, 
also die Einsicht, dass sich hier eine Gegenwartskultur herausbildet, fuer 
die neue, offensive oeffentliche Unterstuetzungstrukturen gefunden werden 
muessen. Es gibt auch eine medienpolitische Notwendigkeit zu verstehen, 
dass die sogenannte Informationsgesellschaft nur dann zu einem tragfaehigen 
Gesellschaftsmodell wird, wenn sie mehr Identifikation bietet als Gewinne 
auf den neuen Maerkten. Deshalb faende ich es persoenlich fatal, wenn der 
Kultursenator es nicht als landeshoheitliche Aufgabe ansehen wuerde, 
medienkuenstlerische und medienkulturelle Arbeit aktiv zu foerdern. Naja, 
diese Diskussion wird voraussichtlich laenger dauern, als wir mit dem 
Drucken unseres Festivalprogramms warten koennen. Die Eroeffnung am 4. 
Februar 2001 findet, wenn's nach mir geht, in festlichem Rahmen statt.

Andreas Broeckmann, Kuenstlerischer Leiter transmediale
mailto:ab@transmediale.de

1. http://www.transmediale.de
2. http://www.v2.nl
3. http://www.virtueelplatform.nl
4. http://www.e-b-c.net
5. http://www.v2.nl/syndicate
6. http://www.mikro.org
7. http://www.berlin.de/home/Land/SenWissKult/
8. http://www.v2.nl/abroeck

Fuer die kommenden Tage sind folgende Termine in Deinen Kalender aufzunehmen:

Di - 31.10.

S t r e a m : Warum www.kulturserver.de nicht auf der EXPO 
Schlussveranstaltung ist, sondern in Tokio? In einem kleinen Buero 
[http://www.webnation.co.jp] in Shibuya sitzen Ken Ishi 
[http://www.kenishii.com] mit dem Kulturserver streaming team und pusten 
Audio und Video ins WWW. Unter [http://www.visionscape.de] und 
[http://www.betalounge.de] wird das Abschluss-Event der Weltausstellung mit 
Sound-Bytes aus San Francisco (Kit Clayton) und Hannover (Sven Vaeth) 
uebertragen. Ab 18 Uhr.

Mi - 01.11.

L o u n g e : In seiner Regierungserklaerung 
[http://www.datenreisen.de/Aktuell/Regierungserklaerung.html] sagt 
Mueller-Maguhn: "Betongefaengnisse in die Luft zu sprengen, war schon okay, 
aber ins Internet zu ziehen einfach der gruendlichere Ansatz". Was damit 
gemeint ist und ob er der Robin Hood des virtuellen Raums ist (also, um mit 
Beckenbauer zu sprechen, "eine gescheiterte Existenz"), oder der erste 
Vorzeige-Hacker, der tatsaechlich etwas bewegen kann, duerfte sich auf der 
28. mikro lounge herausstellen: die Berliner Politologin Jeanette Hofmann 
(Kandidatin fuer das Membership-at-Large- Direktorium von ICANN 
[http://duplox.wz-berlin.de/people/jeanette/]) und der Hamburger 
Politologiestudent Alexander Svensson (Betreiber von ICANN-Channel.de 
[http://www.icannchannel.de/]) treffen sich mit dem "Koenig ohne Land", um 
unter dem Motto ICANNīt zu diskutieren. Ort: WMF, Ziegelstr. 23, 20 Uhr.

Do - 02.11.

P o d i u m : Im Zuge der Diskussion um die Zukunft des Internets, die sich 
derzeit vor allem in oekonomisch dominierten Debatten widerspiegelt, sind 
Fragen nach dem Stellenwert von Internet als oeffentlichem Raum, dem realen 
oekonomischen Nutzen des Netzes und der Einflussnahme von Wirtschaft und 
Nationalstaaten wichtig fuer die kritische Begleitung der weiteren 
Entwicklung der so genannte Informationsgesellschaft. Fragen sowohl 
politischer als auch wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art tun sich 
dabei auf: Ist die "New Economy" wirklich der zentrale Punkt am Internet? 
Welchen staatlichen Einfluss sollte es auf das Internet geben? Welche 
Rolle(n) spielt die Wirtschaft bei der Gestaltung des Netzes? Zensur oder 
"freiwillige" Selbstkontrolle - Wege zum Umgang mit unerwuenschten Inhalten 
im Netz? Wie steht es um die informelle Selbstbestimmung der Netizens? 
Welche Moeglichkeiten bietet eine "vernetzte Gesellschaft"? Auf dem Podium 
e.commerce-hype [http://www.e-commerce-hype.com] diskutieren Nermin Fazlic, 
Referent bei der SPD-Bundestagsfraktion fuer Neue Medien, Prof. Dr. Gernot 
Wersig, Informationswissenschaftler an der FU Berlin und Jakob Boneral, 
rotor medien GmbH. Ort: Konviktssaal, Borsigstr. 5, 20 Uhr.

Bis naechste Woche,

Krystian Woznicki
mailto:krystian@snafu.de

PS: Auf dem Seminar "Internet-Crashkurs" soll moeglichst viel Grundwissen 
vermittelt werden und umfangreiches Material mitgegeben werden, um den 
Teilnehmern ein weiterfuehrendes Arbeiten zu ermoeglichen. Im Rahmen einer 
kleinen Gruppe werden Fragen individuell beantwortet. Grundkenntnisse im 
Umgang mit dem PC sollten allerdings vorhanden sein. Das Seminar am 
04./05.11. ist fuer Journalisten bestimmt und weicht vom angegebenen 
Programmablauf ab. Die Schwerpunkte werden auf professioneller Recherche, 
Email-Benutzung fuer Fortgeschrittene und journalistischer Arbeit mit, im 
und fuer das Internet liegen. Das Programm, die Preise und das 
Anmeldeformular sind zu finden unter 
[http://www.einsnull.com/internet-crashkurs.pdf] oder werden bei Anfrage an 
info@thing.de zugeschickt.

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