scheerlund on Tue, 1 Apr 2003 11:38:41 +0200 (CEST)


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Re[3]: [rohrpost] Re:Talking Head Nobert Bolz


ohla

>vor diesem hintergrund ist die derzeit
>wahrnehmbare populare Medientheorie a la Virilio 1991 (boeser 
Joystick-Krieg) zur reinen
>phaenomenologie von Propaganda und Goebbelsmaschine 
degradiert und ihrerseits >Ablenkung.

Anscheinend gibt es immernoch verborgene Zusammenhänge, 
die die Welt beherrschen, bzw. die die Weltbeherrschung 
herbeiführen sollen...  Wenn mann nun von Bolz Profetie ein 
Wenig absieht, Philosophie hat ihrem Ende erreicht, und einfach 
ein Wenig nüchtern an den Funktionen der Begriffe ‚Konkurrenz‘ 
und ‚Machterhalt‘ anschaut, ist es ja deutlich, dass sie von den 
Resourcen ‚gesteuert‘ werden, um nicht abhängig zu sagen. Da 
ein Doppeltdiskurs offentsichtlich abläuft, ist die Frage nicht (!) 
inwie fern die eine „Propaganda“ und „Ablenkung“ während der 
andere wahr/echt etc. ist.
Die Propagierung von Freiheit, um die Macht zu sichern oder 
erreichen führt hingegen weil sie über den Medien geführt wird 
allenfalls zur Destabilisierung. 

Dazu Bolz: er denkt zwar Gesellschaft von ihrer Stabilität her, aber 
kennt auch den Gegenbegriff der Destabilität. Aufgebrochene 
Tabus wirken für jedes geschlossenes System destabillisierend 
und zugleich transzendierend. Es lässt sich an Bolz Verständnis 
von Freiheit vorführen. 

(gekürzt) Die Inkompatibilität Bolz‘ Theorie mit einer politischen 
Spaltung in Linken und Rechten liegt m.E. in seiner 
metaphorischen Vergleich der Vorstellung von Freiheit - als 
‚Freiheit von‘ wirtschaftlicher oder sozialer Kontrolle - mit dem 
‚Verstehen‘ von der Funktionalität des Computers: Verständnis 
wird über den Vergleich von Input und Output erzielt, wo die 
Differenz ein Ausdruck fehlender Steuerung ist, also ein 
Misverständnis. Die Programme werden geändert, damit sie zum 
gewünschten Ziel führen. -- Den Menschen auf die Funktionalität 
des Computers zu reduzieren, scheint morbid, hat aber seinen 
Zweck, ‚die Funktion Freiheit‘ nüchtern zu beleuchten.
Der Gegenbegriff von Freiheit ist Determination. Sie wird negativ 
gewertet, weil sie vom Individuum - oder Subjekt meinetwegen - 
als Einschränkung der eigenen Möglichkeiten verstanden wird. -- 
Es ist ein Cluster an Begriffen, die sich auch mit dem Copyright 
verknüpft; so gehen die Ideen und Tabus des Freiheitsbegriffes 
links und rechts Queerbet. 
Bolz stellt nun den Begriff, Determination, in einem 
anthropologischen Zusammenhang und behauptet wir seien 
sozial (vom anderen) determiniert: zum Antworten (response~ 
re-agieren) sozusagen verdammt;-) (nicht damit verwechselt, man 
müsse auf Teufel komm‘ raus immer antworten. ‚Antworten‘ wird 
hier der ‚Integrität‘ des Subjektes entgegengestellt).

Wenn dies so sei oder einfacher: wenn man hier mal den Atem 
und alles andere kurz anhalten würde und die Frage erlauben, 
wohin dies führe - eine Frage, die sich sehr gut mit dem Artikel 
„der entmannte Computer“ (Jürgen Albrecht in: c't 2002, Heft 24) 
engführen liese: führt eine von Bolz so behauptete Enttabuisierung 
der Kontrolle durch seine Befolgung nur zur Kontrolle ? 
„Der entmannte Computer“ ist deshalb interessant, weil Albrecht 
die von Freud definierte ödipale Kastration - hier durch 
Umkehrung seiner negative Bewertung - mitteilt. (ödipal ist auch 
nur ein Funktionsbegriff) Was der Computer liefert ist nicht 
‚einfache Freiheit von‘, sondern das Loop: strange loop oder 
möbius - nenn‘ es wie du willst.

Übrigens ist Bolz‘ Verständnis von Gesellschaft in dieser Hinsicht 
- obwohl einer ganz anderen Theorieansatz - mit Bourdieus 
vergleichbar. Während Bourdieu Veränderung von der Erkenntnis 
her denkt, würde Bolz Veränderungen an der Statik der Welt 
wahrscheinlich nur durch Veränderung des Realen selber für 
möglich halten. 

- Ist sehr abstrakt und sehr weit weg, von dem was momentan 
geschieht. 

grüsse Joan

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