das ende der nahrungskette on Wed, 17 Sep 2003 17:12:13 +0200 (CEST)


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[rohrpost] GEISTER // monochroms reformistischesOperation-Morgenluft-Wochenende


>>GEISTER<<
monochroms reformistisches Operation-Morgenluft-Wochenende

monochrom-Raum im MQ, Freitag/19. September 2003, 20:30 - erste Staffel.
monochrom-Raum im MQ, Sonntag/21. September 2003, 20:30 - zweite Staffel.
( http://quartier21.mqw.at/uebersichtsplan/index.html )

Mit einem Vortrag von Johannes Ullmaier am 19. September 2003.

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>>Guten Abend, ich heiße Lars von Trier.Wenn Sie mehr über 'Geister' erfahren
wollen, dann folgen Sie uns und machen Sie sich darauf gefasst,dass wir das
Gute mit dem Bösen vertreiben ...<<

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Lars von Trier, bekannt als Kunst- und Autorenfilmer, startete nach "Medea"
(1988) mit THE KINGDOM (deutscher Titel: "Geister") seinen zweiten Versuch als
TV-Regisseur. Er kehrte 1994 an den gleichen Drehort zurück, an dem er ein
Jahrzehnt zuvor "The Element of Crime" drehte, das königliche
Reichskrankenhaus, das größte Krankenhaus Dänemarks. Und jede der Folgen wird
mit dem immer gleichen, pathetisch gesprochenen Prolog begonnen:

>>(Das Reichskrankenhaus) ... steht auf uraltem Sumpfland ... hier wässerten
die Bleicher ihre riesigen Tücher ... die Bleicher wichen den Ärzten ... Von
nun an sollte gemessen und gezählt werden, auf dass nie mehr Aberglaube und
Unwissenheit die Bastion der Wissenschaft erschüttert. Aber vielleicht waren
sie zu anmaßend in ihrem hartnäckigen Leugnen der spirituellen Welt, denn es
ist, als wären Dampf und Kälte zurückgekehrt ...<<

Die Kamera ist nie auf einem Stativ, sondern bewegt sich kontinuierlich. Die
Montage ist assoziativ, sprunghaft, dadurch anstrengend. Das Filmmaterial ist
grobkörnig. Es musste besonders lichtempfindlich sein, da kein künstliches
Licht verwendet wurde. 

THE KINGDOM spielt in und mit dem Krankenhaus-Milieu, ist zugleich Komödie,
Melodram, Soap Opera, mystischer Thriller und Horrorfilm. Und das alles so
intensiv wie perfekt. Da wird getobt und geliebt, da wird intrigiert und
polarisiert, da wird gehörig abidentifiziert und nebenbei noch TetraPak
vergöttert ... ein kleines Universum eben. 
Und weil ich das Wort "Meisterwerk" nicht ausstehen kann, ... naja ... schreib
ich halt Meisterwok.

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Es tun sich ...
        ... merkwürdige Dinge im Reichskrankenhaus. Doch für Spuk und
Geisterwelt hat der neue Oberarzt Dr. Helmer gar kein Verständnis. Wenn da nur
nicht die Kollegin und Geliebte Rigmor wäre, die ein Faible für Voodoo hat.
Der
Chefarzt Moesgaard begründet mit seiner geheimbündlerischen Ärzte-Loge die
'Operation Morgenluft' zur atmosphärischen Bereinigung des Arbeitsklimas,
Stationsarzt Haken recycelt im Keller Kokain aus alten Augentropfen und
Chefpathologe Dr. Bondo giert nach einer völlig verkrebsten Leber, die ihm die
Angehörigen eines nicht totzukriegenden Patienten vorenthalten wollen. Und
dann
zwischendurch meldet sich der Geist von Mary, der außerehelichen Tochter des
Klinikgründers Professor Krüger. 
Herrjeh. 

>>Sämtliche Arzt-Geschichten beruhen auf wirklichen Geschehnissen. Die
absurdesten haben wir sogar weggelassen. Die hätte uns kein Zuschauer
abgenommen.<< (Lars von Trier)

In der Detailzeichnung, zum Beispiel des penetrant ekelhaften schwedischen
Oberarztes oder eines kindischen Studenten, angesichts derer jeder
Rollstuhlfahrer vor Schreck einen Sportwagen überholen dürfte, tief
schwarzhumorig, gleitet der Film nie ins Zynische ab. Ein Plädoyer für
Menschlichkeit. In wirklich jeder Lebenslage. 
Von Trier pendelt unbekümmert zwischen der fröhlichen Satire auf die Flut der
schleimtriefenden Krankenhausserien und einem ironischen Puzzle der
klassischen
Elemente des Genre-Horrorfilms, ohne seine Geschichte oder ihre Figuren allzu
sehr zu verehren. Wissenschaft wird zum modernen Aberglauben, die Geisterwelt
der Sümpfe dagegen zum realen Problem im KINGDOM. 

KINGDOM ist ein Musterbeispiel dafür, was passieren kann, wenn sich stabile
Systeme zu vermischen beginnen. Harhar.

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"Geister" betrat Neuland.
        Die Vermengung der Genreelemente aus Krankenhaus-Saga, Soap Opera,
Slapstick und Horror- und Mystik-Serie (siehe: "Twin Peaks") war nicht neu.
Jedoch irritierte der visuelle Stil, Mitte der Neunziger Jahre, erheblich.
"Geister" war die Testphase für "Dogma 95". "Dogma" war im Grunde nur die
konsequentere Fortsetzung und Festsetzung des Stils in dem "Geister"
produziert
wurde. Der neue Realismus feierte Jahre danach erst wirklich Erfolge. Nach
"The
Blair Witch Project" (1999) war er profitabel geworden.

>>Dank Reality-TV ('The Blair Witch Projekt' gibt, wenn auch inszeniert,
nichts
anderes vor) verdrängt die Wichtigkeit des Inhaltes die
traditionell-ästhetische Form der fernsehtauglichen Präsentation. Was vorher
der Erkennungscode für eine amateurhafte Kameraführung war, differenziert sich
zu einer Form mit ganz spezifischen Inhalten. Die Authentizität erfährt so
eine
eigene beschleunigte Ästhetik, die vorher nicht denkbar war.<< (T. Ritter,
Texte zum Film) 

>>Ein apokalyptischer Film, dessen gestalterische Mittel sich in den Dienst
der
Sache stellen und zur Verunsicherung des Zuschauers beitragen.<< (Lexikon des
Internationalen Films).

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Vortrag und Screening

Johannes Ullmaier - Mitherausgeber von "testcard", assoziiertes
monochrom-Mitglied (siehe Wiener Faktionismus u.a. und Lehrender an der Uni
Mainz - wird seine gesammelten Zettel und geordneten Gedanken zu "Geister" am
Freitag im monochrom-Raum im MQ zu Gehör bringen. 

Johannes Ullmaiers Einleitung beginnt am Freitag den 19. Sepember 2003 um
20:30
bei uns im monochrom-Raum im MQ (siehe Lageplan). Danach Screening der ersten
Staffel. 
Die zweite Staffel startet dann am Sonntag den 21. Sepember 2003 um 20:30.  

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