Pit Schultz on Wed, 29 Oct 2003 11:46:28 +0100 (CET)


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[rohrpost] der wlan blockwart vom spiegel


http://www.spiegel.de/netzwelt/technologie/0,1518,270198,00.html
https://nomen.letras.net/pipermail/wlannews/2003-October/000173.html
http://wlannews.otaku42.de/newsblog/index.php?p=67&more=1&c=1


lieber herr doktor von der mediaclinic,

schade dass sie das wlan phaenomen nicht auf ihrer
eigenen ebene, naemlich der des medienphaenomens wlan,
behandelt haben. die wlan blase die sich an die internet
blase anknuepft wurde nicht zuletzt von der medien industrie
selbst hervorgebracht. bei der gemeinsamen konstruktion eines
solchen hypes gibt es viele beteiligte, die jedoch verschiedenes
gewicht haben. neben dem leitmedium spiegel, ebenso andere
journalisten-zuarbeiter und selbst-ernannte netzexperten und
nicht zuletzt initiativen wie freifunk. das risiko bei der
gemeinsamen hype produktion ist dass durch das 'anti-aliasing'
und 'sexy-machen' von fakten und anschliessende
massenhysterien, die quelle des hypes selbst allzuschnell
ausgebeutet wird und erlischt. dieselbe vermittlungsmaschine
die auch bei der letzten internet blase vor allen
denjenigen nutzte die mit kuehlem kalkuel genau diese
massenphaenomene auszunutzen wussten, boersenspekulanten,
spin-doctors, CEOs und consultants und nicht zuletzt deren
helfershelfer, die journalisten, das vermittlungs-vieh.
WLAN ist, fuer alle die es nicht nutzen, und das ist die
mehrzahl der bevoelkerung, nicht mehr als diese gespiegelte
realiaet, ein gespenst das kommt und geht am besten
im wochen-rhytmus.

im angebot-nachfrage verhaeltnis auf die spitze
getrieben wird der hype gemolken, kann im darauf folgenden
gegen-hype noch einmal aufmerksamkeitsertraege bringen um
dann nach gebuehrendem abgesang, im rauschen des archives
zu verschwinden. falls die quelle der information das ueberlebt,
kann sie als robustes langzeitformat eingestuft werden, und
bekommt irgendwo  eine kleine spalte innerhalb einer rubrik
zugewiesen.

bei derartig zeitkritischem und risikoreichen spekulieren an der
aufmerksamkeits-boerse bleibt zum fundierten recherchieren
nicht viel zeit, denn es geht letztlich um journalismus als
geschaeft.

interessant ist nun, dass sich ein solch unethischer
weil ausschliesslich auf profit maximierter journalismus
wie man ihn auch von der bildzeitung kennt, nun allzugerne selbst
eine moralische note gibt um lautstark
auf "missstaende" hinzuweisen. am liebsten dabei noch,
technisch wissenschaftlichen daten fussend, also
quasi-objektiv, dabei die mehrheit vertretend, die ja
keine ahnung hat, und auch nicht verwirrt werden will
mit allzuviel differenzierungen.

was liegt in diesem fall naeher als das esmog-thema,
dauerbrenner seit mitte der 80er, also einen 'langwelligen
negativ-hype' mit einem positiv-hype also dem wlan thema zu
verbinden und den auch ansonsten bekannten unterschwellig reaktionaeren
und neo-konservativen jammer-ton des spiegels
wieder einmal in die tat umzusetzen, und ein kleines
exempel zu statuieren, einen kleinen rufmord an einem
thema zu begehen, das bereits laenger auf der abschussliste
steht. (siehe die beruehmte auslaender berichterstattung in hamburg,
lang bevor schill an die macht kam und wieder verschwand)

interessant ist dabei, wenn der journalist aus lauter wille
zur wahrheitsfindung, bericht erstattet bei der naechst hoehrer gelegenen
autoritaet: ganz in deutscher blockwart-tradition, um dem
medien-wildwuchs ein ende zu bereiten, denn man schreibt ja immerhin
fuer ein staatstragendes organ.

so bringt es also ein journalist fertig, bei seiner recherche gleich
bei der Regulierungsbehörde um amtshilfe zu bitten, sei es um der
WLAN bastelei ein ende zu setzen (die klassische denunziation)
oder vielleicht auch aus fehlendem fleiss sich rat bei einem
unabhaengigem ingenieur zu holen.

dabei sollte doch der spiegel, als freund der meinungsvielfalt
auch gerade den grenzueberschreitungen in einer mediendemokratie
positiv gegenueberstehen, im sinne der informationsfreiheit und
-heterogenitaet aus der sich ja wieder treffliche "scene" meldungen fuer
die jeweilige zielgruppe destillieren lassen. immerhin geht
es um einen allgemeinen trend, einer liberalisierung des gemeinguts
des elektromagnetischen spektrums, weg von der staatlichen kontrolle.
das mag nun vor und nachteile haben, die nachteile sind jedoch
am ehesten im bereich der politischen oekonomie zu suchen. (umts
und die folgen...)

wer sich zum thema elektrosmog nur annaehernd informiert hat,
weiss dass es eine derartige vielzahl an potentiellen
gefahrenquellen gibt, die von einer noch hoeheren zahl von
sich widersprechenden studien untersucht wird,
und dass es bei dem thema biologischer folgen von
technischen geraeten eher um den diskurs und den prozess der
wahrheitsfindung geht, also den konstrutionsprozess
dieser wahrheit selbst, innerhalb einer von der wirtschaft und
mediendarstellung abhaengigen wissenschaft, sodass schliesslich
am ehesten die militaerforschung hier zu handfesten ergebnissen
kommen wird.  aber das ist dem spiegel leider zu komplex.

wie schon an anderer stelle angemahnt, waere es sinnvoller
gewesen einen unabhaengigen experten mit ausreichendem
ingenieurwissen zu rate zu ziehen, anstatt den lizenzfreien
funk auf diese art in misskredit zu bringen und der reg-tp
(die doch viel eher einen fundierten kritischen artikel braeuchte)
das wort zu reden.

ein hervorangendes beispiel fuer diese art von willkuer,
ist die geschichte von kevin mitnick, der beispielhaft fuer
die oeffentliche konstruktion der figur des hackers, dank der
privaten missgunst eines journalisten in den knast wanderte. eine
art update auf die 'verlorene ehre der katharina blum'?

schade schade...

/pit schultz

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