Florian Cramer on Tue, 15 Feb 2000 12:04:05 +0100 (CET)


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Re: [rohrpost] DATENBANK DER VIRTUELLEN KUNST


Am Mon, 14.Feb.2000 um 21:22:07 +0100 schrieb Tilman Baumgaertel:

> Etwas verbluefft bin ich schon ob dieser aggressiven Polemik, die offenbar
> von Futterneid motiviert ist.

Dasselbe könnte ich jetzt Dir an den Kopf werfen, ohne daß wir weiterkämen.

> Den "reichen" Kunstbetrieb gegen den "gebeutelten" (was fuer ein Wort)
> Wissenschaftbetrieb auszuspielen, zeugt uebrigens von weitgehender
> Unkenntnis der Sachlage - gerade wenn es um Netzkunst geht, ist wenig bis
> kein Geld im Spiel. Sehr bedenklich finde ich dieses Herumschieben von
> Verantwortung - warum machen DIE (das ZKM, das Bundesarchiv, der Mann im
> Mond etc.) das nicht...

...weil das nunmal Kuratoren- und keine Wissenschaftlerarbeit ist. Die Frage
ist ja nicht nur, wer es bezahlt, sondern wer es kompetent machen kann. 

> Dass vom ZKM in diesem Zusammenhang nicht viel zu erwarten ist, ist zwar
> schade, aber eben leider so. Ich wuesste allerdings nicht, wieso ein Uni
> nicht so eine Aufgabe uebernehmen soll. Es gibt akademische
> Skulpturensammlungen, Kaeferkollektionen, die Monster-in-Aspik-Show an der
> Charite etc, und tausendundein Archiv mit Schr~iftsteller-, Maler-,
> Komponisten-Nachlaessen, von Archiven zu den abwegigstens Themen ganz zu
> schweigen. 

Du nennst gute Argumente, weshalb man diese Käfersammlungen auflösen sollte,
anstatt neue Kuriositätenkabinette einzurichten und Studenten
Studiengebühren anzudrohen. Wenn die Universitäten in Geld schwimmen würden,
wäre auch nichts gegen ein paar gutgemeinte, aber verzichtbare Projekte zu
sagen. Da jedoch an den Unis jede Mark, die an einer Stelle ausgegeben wird,
anderswo eingespart wird, korrespondiert jedes unsinnige DFG-Projekt mit
einer abgewickelten Mitarbeiterstelle oder einem abgewickelten Lehrstuhl. Da
ich an der Uni arbeite und die Situation von Kollegen kenne, muß ich das
anders sehen als Du. (Umgekehrt hätte ich gewiß nichts dagegen, wenn
Kunstinstitutionen geisteswissenschaftliche Forschungsprojekte finanzieren
würden, wie absurd auch immer diese konzipiert wären.)

Darüber hinaus bin ich skeptisch, ob dieses Projekt kompetent kuratiert
wird, d.h. ein wirklicher Nutzen für Medienkunst-Interessierte geschaffen
wird. Du selbst nennst verschiedene Kritikpunkte und widersprichst auch
nicht denen, die ich in meinem ersten Posting genannt hatte.

> Daher ist es mir unklar, wieso da eine Uni mit DFG-Mitteln nicht auch eine
> Datenbank zum Thema Medienkunst anlegen soll; die DFG hat schon viel
> groesseren Quatsch alimentiert. 
 
Kein gutes Argument.

> Irgendjemand muss sich dieser Fragen eben annehmen, denn dass das meiste
> in diesem Bereich relativ schnell verschwinden wird, ist traurig, aber
> wahr. Und ich finde es bei so einem Thema kleinkariert, mit solchen
> Totschlag-Argumenten zu kommen. Fuer meine Begriffe lahmt dieses Vorhaben
> ganz woanders als dem fehldenden Sourcecode von Macromedia (vom Erhalt der
> Werke ist im uebrigen ja auch nicht die Rede, sondern nur von einer
> Dokumentation).

Doch, daß es um den Erhalt der Werke gehe, ist die zentrale These, mit
dem sich das Projekt rechtfertigt.

> Ich will nicht auf alles eingehen, aber wenn die hohen Masstaeben, die Du
> anlegst, wirklich durchgesetzt werden sollen, ist die ganze schoene
> Medienkunst wirklich verschwunden, bis ein brauchbares Instrumentarium zum
> Erhalt digitalen Kulturgutes da ist. Nur ein Beispiel: Wenn es zur
> Integrität eines Netzkunstwerks noetig sein sollte, die URL zu bewahren,
> wird wahrscheinlich gar nichts uebrig bleiben. 

Das war nicht mein Kritikpunkt. Natürlich muß man faule Kompromisse bei
solch einem Projekt in Kauf nehmen. Was mich stört, ist, daß es den Machern
an _Verständnis_ für die Probleme der Archivierung und Dokumentation von
Netzkunst so sehr zu fehlen scheint, daß die DFG vermutlich weniger das
Projekt finanzieren wird, als das Lehrgeld seiner Betreiber. Das Projekt
riecht für meinen Geschmack sehr nach den gleichermaßen grandios in den Sand
gesetzten, z.T. jahrzehntealten Versuchen, zentrale Volltextdatenbanken für
Wissenschaftspublikationen zu schaffen. Daß man so etwas aus
Pataphysiker-Sicht lustig finden kann und aus Netzkunst-Kuratorensicht
zumindest nicht völlig irrelevant, will ich allerdings nicht abstreiten.

Gruß,

Florian

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