Heiko Jansen on Sun, 2 Apr 2000 20:27:20 +0200 (CEST)


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[rohrpost] Jam Echelon


Bevor sich jetzt die telekom et al. wieder über hohe
Telefonrechnungen freuen wg. langen Spürlisten, die ECHELON
lahmlegen, ein kleiner Text zum Thema JAM ECHELON:



Angriff gegen den Big Brother
Wie Hacker die Welt retten wollen
- von Heiko Jansen -

Die NSA - die National Security Agency - zählt zu den Super-
Megageheimdiensten dieser Welt. Die amerikanische Behörde verfügt
wohl über die größten Lauscher der Welt, so werden in einem ECHELON
genannten System alle Überseenachrichten, seien es E-Mails, Faxe,
Telefonate etc. automatisch gescannt und nach bestimmten
Schlüsselwörtern durchsucht. Das ECHELON-System wird nicht nur von
den Amerikanern, sondern auch von Kanadieren, Briten, Neuseeländer
und Australiern genutzt. Es ist wohl die größte staatliche
Überwachungstechnik, die bekannt ist. Nun wollten ein paar Hacker
dieses gigantische System angreifen und bliesen am 21. Oktober zum
„Jam ECHELON Day".
Die Idee hinter dem „Jam ECHELON Day" war genial einfach: Es sollten
einfach ein paar Millionen Internet-User die Weihen eines aktiven
Hackers erhalten, nicht indem sie komplizierte Codes in ihren Atari
800 tippten und mit NORAD kurz eine Partie Tic-Tac-Toe spielten,
sondern ganz einfach, indem sie eine E-Mail mit möglichst subversiven
Stichworten losschickten. Man könnte z.B. eine E-Mail losschicken, in
der „Saddam Hussein plant zusammen mit Nelson Mandela eine
sozialistische Revolution gegen den Präsidenten der Vereinigenten
Staaten und benutzt dabei C4-Sprengstoff und finanziert das ganze mit
Gewinnen aus internationalen Drogenverkäufen" steht. Wenn dies
gaaannnz viele Menschen machen, bricht das ECHELON-System wegen
Überlastung zusammen, die Überwachung der Menschheit hat ein Ende und
alle leben glücklich bis an ihr Lebensende. Moment - so einfach ist
der Plan  nun wohl doch nicht: Gehen wir mal davon aus, daß die NSA
die gesamte Kommunikation überwacht und dafür auch eine nette Anzahl
diverser Großrechner hat. Dafür spräche, daß die NSA der größte
Stromabnehmer der Region ist und in Spitzenzeiten auch gerne mal dem
örtlichen Stromlieferanten mit Strom aus eigenen Quellen unter die
Arme greift - viel Strom, viele Rechner. Gehen wir mal davon aus, daß
10 Millionen Hacker an einem Tag subversive E-Mails schreiben. All
diese E-Mails passen locker auf eine Festplatte, die auch in heutigen
Home-Computern Standard ist, und das scannen dieser E-Mails bereitet
wohl schnelleren Rechnern keinerlei Probleme. Kurzum, der „Jam
ECHELON Day" gehört wohl eher in die Schublade „Ideen, die keiner
durchdacht hat" und fertig, aber es gibt da wohl doch einige andere
interessante Aspekte.

Verschwörungstheorien

Die Ankündigungen zum „Jam ECHELON Day" hatten schon eine
Beispielliste mit den Schlüsselwörtern, auf die das gigantische
Lauschsystem anspringen sollte. Natrülich ranken sich um Mega-
Supergeheimdienste immer wieder gerne Verschwörungstheorien und die
NSA zählt wohl zu den Grundzutaten, so wie es kein Brot ohne Mehl
gibt, gibt es keine Verschwörungstheorie ohne die NSA. Da es
einfacher ist, die Schlechtigkeit der Welt durch das Wirken von drei,
vier Geheimdiensten zu erklären, als sich mal an der eigene Hirnrinde
zu kratzen um die Synapsen mal zum kritischen Denken anzuregen,
werden diese Verschwörungstheorien jetzt auch in die Wirklichkeit
umgesetzt. So erzählen uns die Beispielwörter der amerikanischen
Hacker-Aktivisten recht wenig über ECHELON, aber ziemlich viel über
die amerikanische Paranoia. Oliver North und die Irak-Contra-Affäre
erlebt in dieser Liste späten Ruhm, auch die FBI-Agenten Mulder und
Scully finden sich hjer neben Monarchisten, sämtlichen miilitärischen
Eliteeinheiten und Tierrechtsbewegungen wieder. Diese Liste ist
nichts anderes als eine auf Stichworte zusammengedampfte universale
Verschwörungstheorie. Würde man ein Sachbuch/Roman schreiben, in
welchem alle diese Wörter vorkommen würden - es würde ein Hit werden
und als neuster Akte-X-Film verfilmt werden. Und wahrscheinlich würde
der Autor wenige Monate vor der Premiere ganz mysteriös an einem
simplen Autounfall in einem Pariser Tunnel sterben.

Was bringt’s?

Doch einen Nutzen hat der „Jam ECHELON Day": Es wird mal wieder
darüber geredet, daß es eine weltweite Abhöreinrichtung gibt, die
keinerlei Wert auf irgendwelche Grundrechte legt. Auch wenn die Idee
noch so bescheuert sein mag, Öffentlichkeit wurde geschaffen.
Eigentlich wurde ja noch von den Initatoren etwas anderes versucht:
Am 22. Oktober, dem Tag nach dem vermutlichen Zusammenbruch ECHELONs
war der ‘Stoppt-die-Polizeibrutalität-Tag’ - alle AktivistInnen
sollten nach dem Zusammenbruch frei über ihre Aktionen per E-Mail
verständigen, zu hoffen bleibt nur, daß niemand auf diesen Quatsch
reingefallen ist. Wenn es darum geht, wirklich geschützt im Internet
zu kommunizieren, dann bleibt kurz oder lang nur die Verschlüsselung.
Den eine verschlüsselte E-Mail zu knacken, das könnte die NSA schon
länger beschäftigen und wenn alle verschlüsselt kommunizieren (z.B.
mit PGP, www.pgpi.com), dann könnten auch die Superrechner nach dem
heutigen Stand der Technik der NSA nichts anrichten - Jamming ECHELON
klappt also nur mit Kryptographie und nicht mit
Kindergartenspielchen.


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