Florian Cramer on Fri, 9 Jun 2000 14:44:04 +0200 (CEST) |
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Re: [rohrpost] tulpenwahn |
Am Wed, 07.Jun.2000 um 20:23:37 +0200 schrieb florian schneider: > Arbeiterklasse. Barbrook gehört zu den Verfechtern der gewagten Theorie, > daß der Kommunismus bereits real existiert. Als eine Art > "Dot-Communismus", der vor allem auf der Geschenkökonomie der > Open-Source-Gemeinde fußt. Richtig ist in jedem Fall, daß der freie > Austausch von Gütern und Informationen im Internet glänzend funktioniert Allerdings nur, weil dessen technische Infrastruktur entweder von staatlichen oder privat-kommerziellen Trägern (d.h. auch von den dotcoms) finanziert wird. Weil die Rechnung nie präsentiert wird, wenn man nicht gerade privater Modem-Nutzer eines kommerziellen Providers ist, verliert man die realen Kosten schnell aus dem Blick. Das gilt gerade für Netztheoretiker wie Barbrook - und viele Mitglieder dieser Mailingliste einschließlich meiner selbst -, die ihren Netzzugang und nicht selten auch ihr Computerequipment von Universitäten, Kulturinstitutionen oder Firmen-Arbeitgebern gestellt bekommen. Überhaupt finde ich das Schlagwort "Geschenk-Ökonomie" problematisch, weil es die linksutopistische Fehllektüre von Marcel Mauss fortschreibt und, vielleicht in einer abermaligen Sinnverschiebung, auf die traditionell universitär und nun zunehmend kommerziell subventionierte Netzkultur der Freien Software projiziert. Die von Mauss beschriebene Geschenk-Ökonomie des Potlach ist ja gerade nicht schön und gut, sondern Ausbeutung unter umgekehrtem Vorzeichen; ein ökonomisches Konkurrenzsystem nicht der Akkumulation, sondern der Verausgabung. > - ganz im Gegensatz zu diversen halsbrecherischen Business-Modellen, die > am grünen Tisch entworfen wurden und von technischen Problemen, > mangelndem Vertrauen, kaum überzeugenden Geschäftsideen gebeutelt > werden. Neben dem puristischen Modell von Mark Stahlmanns "GNU General > Public License" gibt es jetzt schon unzählige hybride Varianten in einer > wachsenden Grauzone zwischen "Open Source" und "E-Commerce", die die Ich halte es für ein Mißverständnis, Richard Stallman(!), die Freie Software bzw. Open Source in Opposition zum E-Commerce zu stellen. Niemand in der Freien Software-Community, Stallman eingeschlossen, ist ein traditioneller Linker und hat etwas gegen Kommerz. Alle Freie Software- bzw. Open Source-Lizenzen erlauben und ermutigen sogar den kommerziellen Vertrieb dessen, was sie lizenzieren. Schon in den 1980er Jahren finanzierte Stallman sein GNU-Projekt und die Free Software Foundation, indem er Streamer-Bänder mit GNU-Software kommerziell vertrieb. > digitale Warenwelt spätestens dann bestimmen werden, wenn das schnelle > Geld der Börsengänge erstmal verbraucht ist. ...dann könnten auch für die Freie Software härtere Zeiten anbrechen, weil die wichtigsten ihrer hauptberuflichen Entwickler auf der Gehaltsliste von börsennotierten Dienstleistern wie Redhat und VA Linux stehen und wichtige innovative Projekte wie z.B. Hans Reisers Dateisystem reiserfs von dotcoms wie mp3.com gesponsert werden. Gruß, Florian ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost