Tilman Baumgärtel on Wed, 10 Dec 2003 10:13:28 +0100 (CET) |
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[rohrpost] aus der sueddeutschen von heute |
http://www.sueddeutsche.de/sz/feuilleton/red-artikel2468/ 10.12.2003 Ketzerische Fragen sind nicht erlaubt Götz Adrianis Feldzug gegen das ZKM in Karlsruhe Viele Freunde wird Götz Adriani bald nicht mehr in Karlsruhe haben. Will er auch gar nicht mehr, denn Adriani hat mit dem Kapitel Karlsruhe und dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie ZKM längst abgeschlossen. Im März verlässt er das Museum für Neue Kunst, das er seit 1999 geleitet hatte – und widmet sich ausschließlich wieder der Tübinger Kunsthalle. Und weil er ohnehin keine Karriere mehr am ZKM machen mag, sagt Adriani nun öffentlich Dinge, die den Karlsruhern sauer aufstoßen: „Ist der Riesendampfer ZKM, dessen Programmatik auf die achtziger Jahre zurückgeht, noch zeitgemäß?“ fragt er rhetorisch – und diese ketzerische Frage ist in Karlsruhe nicht erlaubt. Die Schlacht ist eröffnet. Gut war das Verhältnis nie zwischen Adriani und Peter Weibel, dem Leiter des ZKM. Das Museum für Moderne Kunst (MNK), das mehrere Privatsammlungen aus Baden-Württemberg beherbergt, war bisher eine eigenständige Institution innerhalb des ZKM. Immer wieder gab es Ärger wegen Öffnungszeiten und Zuschüssen. Dass Adriani nun geht, hat aber einen weiteren Grund: Er sieht keine Zukunftsperspektive mehr für das so genannte Sammlermuseum. Frieder Burda lässt sich derzeit in Baden-Baden ein eigenes Haus von Richard Meier bauen. Auch Siegfried Weishaupt plant in Ulm ein Museum, Hauptwerke der Sammlung Froehlich hängen bereits in London in der Tate Gallery. „Die wichtigsten Säulen der Sammlung brechen weg“, sagt Adriani – und stellt mit dem MNK gleich das gesamte ZKM auf den Prüfstand. Zu groß, zu teuer Seine Diagnose: Das ZKM ist zu groß und vor allem zu teuer. Die einzelnen Institutionen würden Unsummen verschlingen – 2001 erhielt das ZKM insgesamt mehr als 16 Millionen Euro, davon sind rund vier Millionen Euro Personalkosten. Programmatik und Effizienz würden schön geredet, sagt Adriani. Und anstatt zu fragen, ob die Konzeption noch zeitgemäß sei, „schlägt man sich gegenseitig auf die Schulter.“ Derzeit schlägt man in Karlsruhe eher wütend um sich. Der Oberbürgermeister Heinz Fenrich warf Adriani einen „persönlichen Rachefeldzug“ vor und drohte: „Götz Adriani wird keine verbrannte Erde als gescheiterter Museumsdirektor in Karlsruhe hinterlassen.“ Auch im Landtag macht sich nun Ärger breit, Adriani werden „persönliche Animositäten“ unterstellt. An die Fragen, die Adriani aufgeworfen hat, wagt sich allerdings niemand heran. Man beruft sich auf ein Gutachten des Wissenschaftsrates, das kürzlich veröffentlicht wurde. Die Bilanz ist weitgehend positiv. Am ZKM würden „sehr erfolgreich neueste Kommunikations- und Medientechnologien weiterentwickelt und für kunstbezogene Anwendungen nutzbar gemacht,“ heißt es in dem Bericht. Es wurde aber auch mehr Transparenz und klarere Trennung gefordert zwischen Stiftungsrat und Kuratorium. Kritik übte der Wissenschaftsrat auch am MNK, dem Sammlermuseum. Das Gutachten schlägt vor, das Museum (und seine Zuschüsse) direkt dem ZKM – also Peter Weibel – zu unterstellen und die Lichthöfe, die das MNK bespielt, dem ZKM zur Verfügung zu stellen. Eine „einseitige“ Empfehlung meint Adriani, auch eine „absurde“, schließlich habe Weibel oft gegen das Sammlermuseum polemisiert. Die Zukunft des MNK ist in jedem Fall höchst ungewiss. Eine Arbeitsgruppe, die über eine neue Nutzung der Ausstellungsflächen nachdenken soll, wurde bereits gebildet – Adriani ist nicht dabei. Auch sein Stellvertreter Ralph Melcher wird sich nicht mehr für die Belange der Sammler einsetzen können: Er leitet vom 1. Januar 2004 an das Saarlandmuseum in Saarbrücken. Der Laupheimer Kunstsammler Friedrich Rentschler, dessen Werke im MNK sind, will in jedem Fall um das Sammlermuseum kämpfen. Ob unter der Leitung von Adriani oder Weibel, ist ihm einerlei – „das ist eine Personalfrage“, sagt er. Er stehe zu dem Konzept, das einst Heinrich Klotz entwickelte. Wird das MNK allerdings tatsächlich dem ZKM zugeschlagen, werden die Ausstellungsräume anderweitig belegt, könnte es gut sein, dass das Sammlermuseum allmählich ausblutet. Zur Stimmung in der Kunstszene würde das zumindest passen. Während Klotz das Museum initiierte, um die privaten Kunstsammlung im Lande zu halten, stößt man inzwischen kaum noch auf Verständnis, wenn private Schätze mit öffentlichen Geldern gepflegt und präsentiert werden. Und wenn es das ZKM geschickt anstellt, könnte es vom Ende des MNK sogar kräftig profitieren – und die rund drei Millionen Euro Unterstützung für sich selbst einstreichen. ADRIENNE BRAUN ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/