andreas hagenbach on Thu, 16 Mar 2000 15:14:38 +0100 (CET)


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Re: [rohrpost] in girum



>Wenn Du allen Ernstes journalistische Standards (Beachtung des Presserechts,
>Trennung von Nachricht und Meinung, Sorgfaltspflicht, vielleicht 
>auch sowas wie
>praeziser Sprachgebrauch etc.), wie sie die guten alten Printmedien ja doch
>einigermassen leisten, im Netz durchsetzen wolltest, waeren schlichtweg
>die meisten, die sich im Netz aeussern, nicht qualifiziert.

Klar, da hast Du recht, es ging mir zur Hauptsache um so was wie die Ethik.


>Und, um auf's Ethische zu kommen, im Zweifelsfall sollen doch dann ruhig auch
>irgendwelche Nazis und sonstigen Wirrkoepfe ihren Kram verbreiten. Ist mir
>allemal lieber als irgendwelche sich demokratisch gerierenden Komitees, die
>dann festlegen, was erlaubt ist und was nicht. Wie zweifelhaft sowas sich
>auswirken kann, sollte doch jeder spaetestens bei der Debatte um Political
>correctness gemerkt haben.

Nachdem ich diesen Abschnitt ein paarmal durchgelesen habe, stelle ich fest,
dass da nichts weiter steht ausser einer salonfähigen Radikalität. Man kann es
auch Narzismus nennen.

Wenn man die Verhältnismässigkeit Deiner Wertungen vergleicht, dann richtet
Political Correctness mehr Schaden an als z.B. jeglicher Rassismus, sogar wenn
er offen ausgesprochen oder dazu aufgerufen wird. Dass hinter den Aussagen
Menschen stehen, die andere Menschen treffen, beleidigen, verhetzen wollen,
ist Dir wohl nicht in den Sinn gekommen. Es geht Dir wohl nur um Deine
eigene Scheinfreiheit, die Dir vorschwebt, nicht um die Freiheiten derer, die
mit Dir Zeit und Raum teilen. Gerade wenn Du Rassismus auf das Niveau
des Überfahrens eins Rotlichts stellst, dann finde ich Deine Vorstellungen von
Würde etwas seltsam.

Gerade gestern ist in der Schweiz eine Studie präsentiert worden, 
welche eine deutliche Sprache spricht. Über zwanzig Prozent bekennen 
sich offen zum Antisemitismus,
sechzig Prozent zu judenfeindlichen Tendenzen: «So wollen etwa acht 
Prozent der Befragten lieber nicht einen Juden als Wohnnachbarn, ein 
Anteil, der für Schwarze (12%), Türken und Araber (je 28%) sowie 
Fahrende (38%) bis auf 40 Prozent (Kosovo- Albaner) steigt. Für 17 
Prozent (bei den rechten SVP-Anhängern sind es 30 Prozent) haben 
Juden einen zu grossen Einfluss in der schweizerischen Gesellschaft 
(für noch mehr in der internationalen). Aber für je 53 Prozent der 
Schweizer, also angeblich für die Mehrheit, haben zwei ganz andere 
Gruppen zu viel Einfluss: die Journalisten und die Kriminellen.»
(nzz.ch)


Aber vielleicht habe ich Dich allzusehr missverstanden.
a+


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