cenjur on 24 Jul 2001 12:00:35 -0000


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[rohrpost] Genua - Ausschreitungen - Razzia


Betreff: [rohrpost] Genua - Ausschreitungen - Razzia
Datum: Mon, 23 Jul 2001 03:14:40 +0200
Von: eupol@t-online.de (cenjur)
An: 012-R1@auswaertiges-amt.de
CC: fvd-sfi@belgium.fgov.be, "rohrpost@mikrolisten.de"
<rohrpost@mikrolisten.de>

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen uns in dieser Angelegenheit an
Kommissionspräsidenten Prodi und die Nation Belgien, die derzeit den
Ratsvorsitz innehat, mit der Bitte um Stellungnahme wenden und bitten
daher um Mitteilung, ob folgende Berichterstattung korrekt ist:

Polizeiterror in Genua
22.7.2001, 09:21
POLIZEIANGRIFF AUF INDYMEDIA, GSF UND DIE SCHULE DIAZ

In der Nacht von gestern auf heute wurde in Genua das Gebäude, welches
das General Social Forum (GSF), Pressebüro Radio Gap, ManifestoCarta und
Indymedia Italy beherbergt, von italienischen Polizeieinheiten brutal
gestürmt.

Die Polizei beschlagnahmte dabei vor allem Video- und Fotomaterial der
Ereignisse rund um die Proteste in Genua. Im Zuge der Amtshandlung
wurden gleich auch ein paar Computer und Monitore zerstört.
Darüberhinaus hatten es den PolizistInnen auch die Datenbanken und
Unterlagen der Rechtshilfe, sowie einiger AnwältInnen, die einige
DemonstrantInnen rechtlich unterstützt hatten, angetan.

Am krassesten war aber das Vorgehen der Polizei gegen 50 AktivistInnen,
die gegenüber dem Medienzentrum, in der, von der Stadt zur Verfügung
gestellten, Schule Diaz übernachten wollten. Fast alle der in diesem
Gebäude befindlichen Personen musste nach dem Polizeieinsatz - viele
hatten Knochenbrüche oder stark blutende Verletzungen am Kopf erlitten -
ins Krankenhaus eingeliefert werden. Noch stunden nach dem Einsatz ist
die Schule eher mit einem Schlachtfeld vergleichbar: eingeschlagene
Fensterscheiben, zerstörte Türen und der Boden voll von Blut. Die
Polizei rechtfertigte ihr Vorgehen damit, dass sie AktivistInnen eines
ominösen "Schwarzen Blocks" in der Schule vermutet hatte.

Wo finden wir Pressemeldungen Ihrerseits zu dem Vorgehen der
italienischen Polizei? Was hat das Auswärtige Amt dagegen unternommen
oder fand das Auswärtige Amt das Vorgehen der italienischen Polizei
korrekt?

Wir gehen davon aus, dass Sie sowohl seitens der Regierung wie auch des
deutschen Botschafters informiert sind und bitten um rasche
Stellungnahme, damit wir uns mit der EU-Kommission unverzüglich in
Verbindung setzen können. Wir finden das Vorgehen der italienischen
Regierung äusserst fragwürdig, so dass wir die Kommission um einen
Untersuchungsausschuss gegen die italienische Regierung ersuchen werden,
wobei dieser Artikel aus der Welt online ebenfalls eine Rolle spielen
wird:

Wie Italiens Regierung den Gipfel schützt

Wegen der befürchteten Krawalle und Anschläge lässt die italienische
Regierung Silvio Berlusconis den Gipfel besonders schützen. Rund 15.000
Polizisten und Soldaten bewachen das Gelände rund um den Palazzo Ducale.

Die Sicherheitskräfte sind mit Schutzkleidung, Helmen und Schilden
ausgerüstet. Zu ihren Waffen gehören Schlagstöcke, Gummigeschosse und
Tränengas sowie scharfe Munition. Hunde- und Reiterstaffeln sowie
Wasserwerfer stehen bereit. Die italienische Marine stellt
Kriegsschiffe, Patrouillenboote und Minenjäger. Boden-Luft-Raketen
sollen im Notfall einen terroristischen Luftangriff vereiteln.

Für umgerechnet 6,5 Millionen Mark hat der italienische Staat als
Gipfelhotel das Kreuzfahrtschiff "European Vision" gechartert. An Bord
stehen den Gästen wie Bundeskanzler Gerhard Schröder samt
Sicherheitspersonal 783 Kabinen zur Verfügung.

Zum Tagungspalast sollen die Teilnehmer per Hubschrauber geflogen oder
mit Schnellbooten und Autos chauffiert werden. Der nach Expertenmeinung
besonders gefährdete US-Präsident George W. Bush nächtigt im Jolly
Marina Hotel am Alten Hafen, das von drei Seiten mit Wasser umgeben ist.
Taucher bewachen das Areal von der Seeseite her. Ein US-Kriegsschiff
versorgt das Team von Bush.

Rund um das Tagungsgebäude haben die Behörden eine Rote Zone
eingerichtet. Sie ist vier Quadratkilometer groß, betreten dürfen das
Areal nur Gipfelteilnehmer, Journalisten und Anwohner, die zuvor
kontrolliert werden. Barrikaden versperren die Zufahrt, sogar Kanäle und
Kellergänge haben die Sicherheitsleute versiegelt. In einer um diesen
inneren Bereich liegende Gelbe Zone dürfen einige Demonstranten ihr
Anliegen vortragen. In diesem Bereich können Protestierer nach
Behördenangaben gegebenenfalls eingeschlossen werden.

Kommt es trotz der Vorkehrungen zu gewalttätigen Konflikten, haben die
Ordnungshüter vorgesorgt. In den Gefängnissen der Stadt sind extra 500
Plätze frei geräumt worden. In den Krankenhäusern herrscht
Alarmbereitschaft.

Wenn sich dergestalt bereits die italienische Regierung gerüstet hatte,
welche Informationen bitte hatte denn das auswärtige Amt an deutsche
Demonstranten herausgegeben?

Frage an den Ratsvorsitzenden: die italienische Regierung hat zum Schutz
des Gipfels eine Kriegsmaschinerie aufgefahren. War eine solche
Vorgehensweise auf dem Ministerratstreffen Justiz und Inneres am 13.
Juli 2001 beschlossen worden? Wenn nein, was gedenkt der Ministerrat
gegen die Nation Italien zu unternehmen oder ist bereits ein
Untersuchungsausschuss einberufen? Eine derartige Militärpräsenz zu
einem Weltwirtschaftsgipfel hätte in jedem Falle innerhalb der
EU-Mitgliedstaaten abgestimmt sein müssen. Es stellt sich darüberinaus
die Frage, ob man nicht mit einer derartigen Militärpräsenz geradezu
Gewalt herausgefordert hat. Österreich hat man sanktioniert und massiv
geht man heute noch gegen die FPÖ vor. Was sich jetzt aber vor Europas
Augen in Italien abspielen konnte, ist ungeheuerlich und muss innerhalb
eines Untersuchungsausschusses geklärt werden.

Dank und Gruss
Gudrun Seidl, cenjur CE juristisch-politisches Info-Magazin von
SEIDL, weltweiter Vertragspartner der EU-Kommission
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